Apnoetauchen stellt den menschlichen Körper vor die Herausforderung, unter Sauerstoffmangel effektiv zu funktionieren. Eine zentrale physiologische Anpassung ist die akute hämatologische Reaktion, insbesondere Veränderungen der Hämoglobinkonzentration (Hb) und des Hämatokrits (Hct). Diese Anpassungen tragen dazu bei, den Sauerstofftransport und die Sauerstoffnutzung zu optimieren, was für die Leistungsfähigkeit und Sicherheit bei längerem Luftanhalten von entscheidender Bedeutung ist.
Obwohl frühere Studien diese hämatologischen Reaktionen beschrieben haben, fehlen bislang umfassende Analysen hinsichtlich des Ausmaßes dieser Veränderungen und ihrer zugrunde liegenden Mechanismen. Eine Meta-Analyse fasst den aktuellen Wissensstand zusammen.

Ausmaß des Effektes
Die Hämoglobinkonzentration (Hb) und der Hämatokrit (Hct) steigen während der Apnoe deutlich an.
Der Hb-Wert zeigte eine akute Zunahme von 3 % bis 10 %, abhängig von Faktoren wie der Dauer des Luftanhaltens und den individuellen physiologischen Ausgangswerten.
Der Hct stieg in einer vergleichbaren Größenordnung (2 % bis 8 %). Diese Anpassungen waren bei trainierten Apnoetauchern deutlich ausgeprägter als bei untrainierten Personen.
Was sind Hämoglobin (Hb) und Hämatokrit (Hct)?
Hämoglobin (Hb) ist das Protein in den roten Blutkörperchen, welches für die Bindung und den Transport von Sauerstoff im Körper verantwortlich ist. Der Hämatokrit (Hct) hingegen gibt den prozentualen Anteil des Blutes an, der aus roten Blutkörperchen besteht. Er beschreibt das Verhältnis der roten Blutkörperchen zum gesamten Blutvolumen, das auch Plasma und andere Bestandteile umfasst. Ein höherer Hämatokritwert weist auf eine erhöhte Konzentration roter Blutkörperchen hin, was die Sauerstofftransportkapazität des Blutes deutlich verbessert.
Der Mechanismus
Die Milz spielt eine zentrale Rolle in der akuten hämatologischen Reaktion auf einen Atemstillstand und ist ein wesentlicher Bestandteil des Tauchreflexes bei Säugetieren. Sie fungiert als Reservoir für rote Blutkörperchen und speichert unter normalen Bedingungen etwa 10–20 % des gesamten Volumens der roten Blutkörperchen. Während der Apnoe aktiviert der Körper die Kontraktion der Milz als Teil des Tauchreflexes, einer Reihe von physiologischen Anpassungen, die darauf abzielen, Sauerstoff während des Tauchens effizient einzusetzen.
Milzkontraktion
Das Einsetzen der Apnoe und die damit verbundene Hypoxie (Sauerstoffmangel) stimulieren das sympathische Nervensystem. Diese Stimulation führt dazu, dass sich die glatte Muskulatur der Milz zusammenzieht und die gespeicherten roten Blutkörperchen in den Blutkreislauf freisetzt.
Was ist glatte Muskulatur?
Die glatte Muskulatur kommt in den Wänden innerer Organe und Strukturen wie Blutgefäßen, dem Verdauungstrakt und der Milz vor. Im Gegensatz zur bewusst steuerbaren Skelettmuskulatur kontrahiert glatte Muskulatur unwillentlich und wird durch das autonome Nervensystem sowie chemische Signale gesteuert. In der Milz sind die glatten Muskelfasern in der Organhülle (Kapsel) und den Trabekeln (dem Stützgewebe) verteilt. Wenn sich diese Muskelfasern zusammenziehen, verringert sich das Volumen der Milz, wodurch die in ihr gespeicherten roten Blutkörperchen in den Blutkreislauf gepresst werden.
Die hämatologische Reaktion auf das Apnoe-Tauchen widerspielt letztlich unsere evolutionären Ursprünge im Meer.
Steigerung der Anzahl der Blutzellen
Die Freisetzung zusätzlicher roter Blutkörperchen führt zu einer Erhöhung der Hämoglobinkonzentration (Hb) und des Hämatokrits (Hct), wodurch die Sauerstofftransportkapazität des Blutes gesteigert wird. Diese Anpassung verbessert die Versorgung lebenswichtiger Organe wie Gehirn und Herz mit Sauerstoff und trägt dazu bei, den Körper während längerer Atemstillstände funktionsfähig zu halten.
Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes (CaO2)
Der Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes (CaO2) gibt die gesamte Menge des im Blut transportierten Sauerstoffs an. Er wird nach folgender Formel berechnet:
CaO2 = (Hb × SaO2 × 1.34) + (0.003 × PaO2)
Einfach gesagt misst CaO2, wie viel Sauerstoff im Blut zur Versorgung des Körpers verfügbar ist. Der größte Teil dieses Sauerstoffs wird durch Hämoglobin transportiert, während ein kleinerer Teil direkt im Blutplasma gelöst ist. Wenn der Hämoglobinspiegel aufgrund der Milzkontraktion während der Apnoe ansteigt, erhöht sich die Sauerstofftransportkapazität des Blutes. Dadurch kann während des Tauchgangs mehr Sauerstoff zu den lebenswichtigen Organen wie dem Gehirn und dem Herzen gelangen.
Die Formel verdeutlicht, dass ein Anstieg der Hämoglobinkonzentration (Hb) während der Milzkontraktion den Sauerstofftransport des Blutes maßgeblich verbessert (erster Term), während der im Plasma gelöste Sauerstoff (zweiter Term) nur einen kleinen zusätzlichen Beitrag leistet.
Hb: Hämoglobinkonzentration (in g/dL), das Protein, das Sauerstoff bindet und als primärer Sauerstoffträger im Blut dient.
SaO2: Arterielle Sauerstoffsättigung (in %), die angibt, wie viel Prozent des Hämoglobins mit Sauerstoff gesättigt sind.
1,34: Eine Konstante, die die Sauerstoffbindungskapazität von Hämoglobin beschreibt (mL O2 pro Gramm Hb).
PaO2: Partialdruck von Sauerstoff im arteriellen Blut (in mmHg), der die Menge des im Plasma gelösten Sauerstoffs repräsentiert.
0,003: Eine Konstante, die die Löslichkeit von Sauerstoff im Plasma beschreibt.
Dauer des Effekts
Der durch die Milzkontraktion hervorgerufene Anstieg von Hb und Hct hält in der Regel mehrere Minuten bis Stunden nach der Apnoe an, je nach Physiologie und Trainingszustand des Einzelnen. Dies gewährleistet eine anhaltende Wirkung auch nach Beendigung des Tauchgangs.
Abhängigkeit von Dauer und Art des Apnoetauchens
Dauer der Apnoe: Längeres Anhalten des Atems führt in der Regel zu einem stärkeren Anstieg der Hb- und Hct-Werte. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass eine längere Apnoe eine stärkere Kontraktion der Milz auslöst, um den anhaltenden Sauerstoffmangel zu kompensieren.
Intensität und Art des Tauchgangs: Eine statische Apnoe, bei der der Taucher den Atem an Ort anhält, führt zu einem geringeren Anstieg von Hb und Hct im Vergleich zu einer dynamischen Apnoe, bei der geschwommen wird. Dynamische Apnoe erfordert in der Regel einen höheren Sauerstoffverbrauch und löst damit eine stärkere hämatologische Reaktion aus.
Trainingsniveau: Regelmäßiges Apnoe-Training erhöht die Effizienz und das Ausmaß der Milzkontraktion, was zu einem schnelleren und stärkeren Anstieg von Hb und Hct während des Tauchgangs führt. Erfahrene Taucher zeigen im Vergleich zu Anfängern ausgeprägtere hämatologische Reaktionen.
Schlussfolgerung
Die hämatologische Reaktion auf das Tauchen mit angehaltenem Atem ist eine faszinierende Anpassung, die letztlich unsere evolutionären Ursprünge im Meer widerspiegelt.
Bei körperlich aktiven, gesunden Personen führt bereits ein einziger Apnoe-Tauchgang zu einem signifikanten Anstieg der Hämoglobinkonzentration (Hb) und des Hämatokrits (Hct), was die Dauer des Atemanhaltens verlängert. Künftige Forschungsarbeiten sollten diese Auswirkungen bei wenig aktiven Personen und in einem breiteren Kontext untersuchen mit der Frage, ob Patienten mit kardiovaskulären oder Atemwegserkrankungen möglicherweise von dieser Reaktion profitieren könnten.
Comments