In den letzten Jahren stellten Extremtaucher neue Tiefenrekorde auf. So wurde bspw. im Februar 2023 zum ersten Mal Wasserstoff mit einem Rebreather verwendet und damit während eines Höhlentauchgangs eine Tiefe von 230 m erreicht. Doch wo liegen die absoluten Tiefengrenzen beim Tauchen ausserhalb eines Druckkörpers?
Das goldene Zeitalter des Sättigungstauchens ist nach Abklingen der Ölkrise seit den 1980er Jahren Geschichte. Im Zuge ihrer wachsenden globalen Ambitionen haben Indien und China in den letzten Jahren neue Tiefseeforschungsprogramme lanciert, welche sich nicht nur auf die Entwicklung ferngesteuerter und bemannter Tieftauchboote beschränken, sondern auch Sättigungstauchprogramme wiederbeleben. So hat China 2021 erfolgreich ein 500-Meter-Tieftauch-Experiment in einer Druckkammer vollzogen und plant, den Tauchgang im offenen Wasser zu wiederholen. Angesichts dessen ist das Interesse an der Frage, wo die absoluten Tiefengrenzen für Sättigungstaucher liegen, wieder erstarkt. Eine Publikation versucht, diese Frage definitiv zu beantworten.
Die Frage nach der maximal erreichbaren Tauchtiefe ausserhalb eines Druckkörpers hat neue Aktualität erlangt.
Um längere Dekompressionsphasen zwischen Tauchgängen zu vermeiden, wurde das Sättigungstauchen entwickelt. Hierbei bleiben Taucher über mehrere Tage oder Wochen in Druckkammerhabitaten, von denen aus sie ihre Tauchgänge unternehmen. Dabei sättigen sich die Atemgase in ihren Körpergeweben bei konstant hohem Druck auf. Mit steigender Tiefe und zunehmendem Umgebungsdruck sehen sich Taucher zusehends den Auswirkungen der Atemgase ausgesetzt.
Um den "Tiefenrausch" zu verhindern, der durch erhöhten Stickstoffpartialdruck im Atemgas verursacht wird und zur Unruhe, Denkstörungen und letztendlich zur Bewusstlosigkeit führt, wird im Atemgas ab etwa 40 m Tiefe Stickstoff durch Helium ersetzt, das weniger narkotisch wirkt. Spätestens ab einer Tauchtiefe von 200 m führt die Verwendung von Helium-Sauerstoff-Mischungen jedoch zum high-pressure neurologic syndrome (HPNS), gekennzeichnet durch Zittern, unkontrollierte Muskelkontraktionen, Hirnstromveränderungen und Konzentrationsstörungen. Langsame Abstiegsraten und die Beimischung von Wasserstoff (um das Problem der hohen Atemgasdichte zu überwinden) und einer Prise Stickstoff zu den Atemgasen erlaubten dennoch das Erreichen wesentlich grösserer Tiefen: im offenen Meer bis zu 534,4 m (54,4 bar) und in Überdruckkammern bis zu 71,1 bar, was einer simulierten Tiefe von 701 m entspricht.
Neben dem HPNS stellen psychotische Syndrome ein weiteres Hindernis bei sehr tiefen Tauchgängen dar. Sie treten unter jeglicher Atemgasmischung auf, wenn ausreichend tief getaucht wird, und äußern sich als Denkstörungen wie Paranoia, Halluzinationen und Unruhe, bevor sie in Narkose übergehen. Sie entsprechen somit dem «Tiefenrausch», der auf geringeren Tiefen durch Stickstoff ausgelöst wird.
Psychotische Symptome und Narkose markieren die absolute Grenze des Tieftauchens.
Die narkotische Wirkung von Atemgasen wird üblicherweise durch ihre Fettlöslichkeit anhand der Meyer-Overton-Korrelation erklärt. Sie ist bekanntermassen ungenügend, wie in diesem Blog auch schon festgehalten wurde. So müsste bspw. Sauerstoff viel stärker narkotisch wirken, als er es in Wirklichkeit tut. Die Autoren verwenden für ihre Überlegungen deshalb das Modell des "kritischen Volumens". Dieses besagt, dass eine Narkose (mit den beschriebenen vorauslaufenden Symptomen einer Psychose) auftritt, wenn das Volumen einer Zellregion (z.B. des Gehirns) durch die Aufnahme eines Inertgases (wie Stickstoff, Helium oder Wasserstoff) über ein bestimmtes kritisches Volumen hinaus «aufgebläht» wird. Unabhängig von der Art des Gasgemischs und der Tauchtiefe zeigt sich, dass die Symptome immer beim gleichen kritischen Volumen auftreten.
Aus diesem nun bekannten kritischen Volumen lässt sich für das optimalste Atemgas, eine Wasserstoff-Sauerstoff-Mischung, eine Tiefe von 1000 bis 1200 m errechnen, auf der jeder Taucher psychotisch und damit handlungsunfähig wird, und welche somit die absolute Grenze des Tauchens ausserhalb eines Druckkörpers markiert. Tierversuche mit Primaten unterstützen diese theoretische Überlegung und zeigen ähnliche Symptome ab ca. 101 bar, entsprechend 1000 m Tiefe.
Tauchgänge jenseits von 1000 bis 1200 Metern Tiefe sind außerhalb eines Druckkörpers praktisch unmöglich.
Diese Gedanken legen nahe, dass Tauchgänge jenseits von 1000 bis 1200 Metern Tiefe außerhalb eines Druckkörpers praktisch unmöglich sind, es sei denn, es würde in der Atemgasmischung ein noch optimaleres Gas als Wasserstoff verwendet, was nur im Reich der Science Fiction denkbar ist.
Es ist wichtig anzumerken, dass bei diesen Überlegungen das Problem der zunehmenden Dichte des Atemgases aufgrund steigender Tauchtiefe nicht berücksichtigt wurde. Dies stellt ein weiteres schwer zu überwindendes Hindernis für sehr tiefe Tauchgänge dar.
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