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  • AutorenbildMichael Mutter

SIPE - häufig aber zu wenig bekannt

Aktualisiert: 3. Mai

Treten beim Tauchen Atemprobleme auf, wird in erster Linie an ein Barotrauma oder an eine Dekompressionskrankheit gedacht. Ein häufiges Krankheitsbild, das Immersions-Lungenödem (Immersion Induced Pulmonary Edema, IPE), ist trotz seiner Häufigkeit wenig bekannt. Dabei kann dieses alle treffen, die sich im Wasser aufhalten. Die Wahrscheinlichkeit, dass Tauchende einmal damit konfrontiert werden bspw. auch als Helfer, ist gross. Das Krankheitsbild sollten alle Wassersportler kennen.


Bildvorlage: Karin Aggeler

Von einem Lungenödem spricht man, wenn Flüssigkeit aus den Lungenkapillaren in die Alveolen (Lungenbläschen) übertritt. Das Immersions-Lungenödem (Immersion Induced Pulmonary Edema, IPE) ist ein Spezialfall, bei dem dies während des Aufenthaltes im Wasser aus Gründen, die noch schlecht verstanden sind, passiert. IPE wird als Sammelbegriff für 2 Unterformen verwendet, nämlich das IPE beim Schwimmen (Swimming Induced Pulmonary Edema, SIPE) und das IPE beim Gerätetauchen (Scuba Diver's Pulmonary Edema, SDPE). Es kann viele medizinische Ursachen haben, tritt aber auch bei Gesunden auf.


Umverteilung von Blut in den Brustraum

Die Ursachen des IPE sind nicht restlos geklärt und werden auch kontrovers diskutiert. Das Eintauchen in Wasser führt zu einer Umverteilung von peripherem Volumen (d.h. Blut) in Herz und Lunge, da Extremitäten und Bauchraum durch den Wasserdruck (hydrostatischer Druck) mehr komprimiert werden als der Brustkasten. Verstärkt wird der Mechanismus besonders durch kaltes Wasser, welches als Schutz vor Auskühlung zu einer Verengung der peripheren Gefässe führt. Oder einfach gesagt: Blut wird im (kalten) Wasser aus Armen, Beinen und Bauchraum in den Brustkasten gequetscht. Dadurch steigt der Druck in Herz und Lunge an. Als Folge dessen wird schliesslich Flüssigkeit aus dem Blut in die Alveolen gepresst, wodurch ein Lungenödem entsteht. Dies behindert den Gasaustausch, führt zu Sauerstoffmangel und ist deshalb immer bedrohlich.


Obwohl kaltes Wasser ein wichtiger Faktor darstellt, tritt das Bild auch in warmen Gewässern auf. Das SIPE scheint häufiger bei physisch fitten Männern, z.B. bei militärischen Tauchern und bei Triathleten aufzutreten und es bestehen wenig Zweifel, dass Anstrengung per se das Auftreten eines SIPE begünstigt.  

Das SIPE kann auch Gesunde ohne Vorwarnung treffen.

Das Lungenödem von Tauchern (SDPE) tritt häufiger bei Frauen mittleren Alters auf und wird mit Bluthochdruck und Herzerkrankungen in Verbindung gebracht. Ein spezifischer Faktor beim Tauchen ist das Atmen gegen einen negativen Druck, d.h. einer Situation, in der der Wasserdruck, der auf den Brustkasten einwirkt und welcher dieser beim Einatmen überwinden muss, höher ist als der Druck der eingeatmeten Luft/des eingeatmeten Gases.


Spezifische Umstände beim Tauchen

Dies ist der Fall beim Atmen durch einen Schnorchel, bei ungünstiger Wasserlage während des Tauchens, bei der der Kopf deutlich oberhalb der Lunge gehalten wird (z.B. aufrechte Haltung oder halb-aufrechter Trimm), bei Fehlfunktion des Atemreglers, beim Rebreather-Tauchen, wenn die Gegenlunge oberhalb der Lunge, d.h. rückseitig angebracht ist, oder bei übermässigem Anziehen des ADV (automatic diluent valve), und schliesslich als Folge einer hohen Dichte des Atemgases bei sehr tiefen Tauchgängen. Auch zu enge Tauchanzüge oder zu enges Gurtzeug können zum Problem beitragen.


Gelegentlich wird auch das Lungenödem des extremen Freitauchens (pulmonary barotrauma of descent) unter IPE subsummiert. Dort ändern sich die Druckverhältnisse im Brustraum auf ungünstige Weise, allerdings erst nach dem Ausschöpfen des Residualvolumens bei Erreichen grösserer Tiefen, womit der Mechanismus etwas anders gelagert ist.


Unterschätzte Häufigkeit

Die Häufigkeit des SIPE ist unklar und wird wohl stark unterschätzt. Besonders gefährdet sind Personen mit Herzkrankheiten, weshalb Eisbaden für sie ein Risiko darstellt, wie in diesem Blog auch schon besprochen wurde. Es ist sehr wichtig zu bemerken, dass das SIPE auch Gesunde, ja sehr gut Trainierte treffen kann.

An ein SIPE ist immer zu denken, wenn Husten, Atemnot, Schaum vor dem Mund oder Bluthusten während oder unmittelbar nach dem Schwimmen oder Tauchen auftreten. Wahrscheinlich werden von Tauchenden solche Symptome gelegentlich als Dekompressionskrankheit oder Barotraumata fehlinterpretiert. Auch kann ein SIPE mit (Beinahe-)Ertrinken verwechselt werden.


Rasches Handeln zwingend

Bei Verdacht auf ein SIPE muss das Wasser so rasch wie möglich verlassen werden. Treten Symptome unter Wasser auf, muss sofort aufgetaucht werden. An der Wasseroberfläche soll möglichst viel Gewicht abgenommen werden (z.B. Blei, stages und anderes «Gerödel»), damit der Körper so gering wie möglich ins Wasser eintaucht. An Land werden Betroffene in Oberkörperhochlagerung positioniert. Es soll hochdosiert Sauerstoff (15 l/’ möglichst über eine Mund-Nasen-Maske mit Reservoir) verabreicht werden. Der Rettungsdienst ist grosszügig zu alarmieren resp. eine ärztliche Notfallbeurteilung muss in jedem Fall erfolgen, nicht zuletzt, um eine (akute) Herzkrankheit auszuschliessen.

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