In der Höhe sind der Luftdruck und damit auch der Umgebungsdruck unter Wasser tiefer als auf Meereshöhe. Dies führt zu einer geringeren Aufsättigung der Gewebe im Vergleich zum Tauchen im Meer. Trotzdem sind die Nullzeiten kürzer. Weshalb ist das so?
Die Leserschaft des Dekoblogs ahnt die Antwort: wegen der Übersättigungstoleranz.
In Höhenlagen sinkt der absolute Umgebungsdruck und damit auch der Druck des Inertgases, welches eingeatmet wird, da der Atemregler dieses auf Niveau des Umgebungsdruckes liefert. Dadurch steigt der Inertgasdruck im Gewebe weniger an. Da für eine gegebene Tauchtiefe der absolute Umgebungsdruck tiefer ist als auf Meereshöhe, kommt es zu einer geringeren Gewebeaufsättigung mit Inertgas (Stickstoff oder Helium). Dies ist eigentlich günstig und ein Vorteil gegenüber dem Tauchen auf Meereshöhe.
Da die Übersättigungstoleranz abhängig ist vom Umgebungsdruck, nimmt aber auch sie ab gemäss
Ptol = Pamb * 1/b + a
wie wir in den letzten Beiträgen wiederholt gesehen haben.
Der Absolutdruck in 40 m Tiefe in einem Bergsee auf 2500m bspw. beträgt 4.75 bar: 0.75 bar Luftdruck an der Wasseroberfläche + 4 bar Wassersäule/hydrostatischer Druck. i. Ggs. zu 5 bar auf Meereshöhe. Werden diese Werte in die Sättigungsgleichung eingesetzt und die Übersättigungstoleranzen korrekt berechnet, ergeben sich die entsprechenden Lösungen für jede Höhenlage.
Per Saldo resultieren mit zunehmender Höhe für eine gegebene Tauchtiefe im Vergleich zu einem Tauchgang auf Meereshöhe kürzere Nullzeiten und ergeben sich tiefere Dekostufen, wie Abbildung 1 illustriert.
Abbildung 1: Tauchgang mit Pressluft auf 40 m auf Meereshöhe (rechts) und im Muttsee auf 2500 müM (links) dargestellt an Kompartiment 2. Als Folge des tieferen Umgebungsdruckes resultieren in der Höhe tiefere Werte für die tolerierten Inertgasdrucke. Trotz der geringeren Aufsättigung (blauer Linie) durch den tieferen Umgebungsdruck ergibt sich deshalb in der Höhe eine kürzere Nullzeit (roter horizontaler Pfeil). Darüber hinaus müsste beim Beenden des Tauchganges nach 20 min. bereits auf 9 m ein Dekompressionshalt eingelegt werden, auf Meereshöhe könnte bis zur 6 m-Dekostufe aufgetaucht werden.
Auch dies wurde von Bühlmann und anderen ausführlich getestet und bestätigt (A.A. Bühlmann. Dekompression - Dekompressionskrankheit. Springer 1983) - übrigens auch im Muttsee. Die entsprechenden Tabellen sind bekannt und populär. Computer berechnen solche Tauchgänge heute routinemässig und ohne Weiteres.
Dieses abschliessende Kapitel soll illustrieren, dass zum Verständnis der Dekompressionsphysiologie nicht nur das Sättigungs- und Entsättigungsverhalten der Gewebe massgeblich ist, sondern auch die Kenntnis der Übersättigungstoleranz, welche leider i.R. der gängigen Tauchausbildungen kaum je gelehrt wird (weil sie den Instruktoren in deren Trainings auch nicht vermittelt wurde und ihnen deshalb nicht geläufig ist.) Die hier geschilderten Prinzipien sind universell anwendbar und man wird mit ihnen (fast) jedes Modell verstehen.
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