Echokardiographie für technische Taucher – macht das Sinn?
- Michael Mutter

- 18. Sept.
- 4 Min. Lesezeit
Kürzlich wurde ich gefragt, ob es wirklich sinnvoll ist, dass eine Tauchschule für den Einstieg in den technischen Bereich – Kurse oberhalb von Advanced Nitrox – eine Echokardiographie (Herzultraschall) verlangt. Begründet wurde das damit, dass so ein persistierendes Foramen ovale (PFO) gefunden werden könne – eine kleine Öffnung im Herzen, die theoretisch Gasblasen passieren lassen und damit das Risiko für Dekompressionskrankheit erhöhen könnte.

Auf den ersten Blick wirkt das plausibel. Gerade im technischen Tauchen, wo hohe Inertgassättigungen erreicht werden und das Risiko für eine Dekompressionskrankheit naturgemäß größer ist als beim Sporttauchen, möchte man jedes zusätzliche Risiko vermeiden. Doch stellt sich die Frage: Ist eine solche Empfehlung tatsächlich gerechtfertigt – und wie bewerten die Fachgesellschaften dieses Vorgehen?
Die Antwort liefert das 2025 Positionspapier der South Pacific Underwater Medicine Society (SPUMS) und des UK Diving Medical Committee (UKDMC): ein routinemäßiges Screening aller Taucher wird nicht empfohlen.
Für technische Taucher ist das Thema allerdings etwas differenzierter.
Was ist ein PFO?
Vor der Geburt besitzt jedes Baby eine natürliche Öffnung zwischen dem rechten und linken Vorhof des Herzens, das sogenannte Foramen ovale. Diese Struktur sorgt dafür, dass das Blut die Lungen umgeht, da die Sauerstoffversorgung im Mutterleib über die Plazenta erfolgt. Nach der Geburt verschließt sich diese Öffnung in der Regel, doch bei etwa 25 % aller Menschen bleibt sie teilweise offen. In diesem Fall spricht man von einem persistierenden Foramen ovale (PFO). Für die meisten Betroffenen ist dies völlig unproblematisch, sie bemerken ihr Leben lang nichts davon.
Im Tauchen kann ein PFO jedoch eine Rolle spielen: Es kann als eine Art „Abkürzung“ wirken, durch die venöse Gasblasen, die normalerweise in der Lunge herausgefiltert werden, direkt in den arteriellen Kreislauf gelangen. Dadurch erhöht sich vor allem das Risiko bestimmter Formen der Dekompressionskrankheit, insbesondere mit neurologischen Symptomen, wenn viele Blasen vorhanden sind. Ein PFO allein macht das Tauchen jedoch nicht unsicher – das eigentliche Risiko liegt in der Blasenbildung. Deshalb liegt der Fokus auf durchdachten Dekompressionsstrategien und einem sicheren Verhalten nach dem Tauchgang.
Wie sucht man nach einem PFO?
Wenn ein Taucher gemeinsam mit seinem Arzt entscheidet, ein PFO abklären zu lassen, geschieht dies mittels Kontrastmittel-Echokardiographie:
Kontrastblasen
Kochsalzlösung wird mit etwas Luft aufgeschüttelt, sodass Bläschen entstehen. Diese Bläschenmischung wird in eine Vene gespritzt und gelantn so in den rechten Vorhof.
Echokardiographische Methoden
Transthorakale Echokardiographie (TTE): Die Untersuchung erfolgt von außen über den Brustkorb. Sie ist nicht-invasiv und angenehm, aber weniger empfindlich, vor allem für kleine PFOs.
Transösophageale Echokardiographie (TEE): Hierbei wird eine flexible Sonde in die Speiseröhre eingeführt, die direkt hinter dem Herzen verläuft. Sie liefert ein deutlich klareres Bild und ist die empfindlichste Methode, ein PFO zu finden. Allerdings ist sie weniger komfortabel, da der Patient die Sonde schlucken muss (meist mit Sedierung oder örtlicher Betäubung).
Provokationsmanöver
Ein PFO öffnet sich nur, wenn der Druck im rechten Vorhof ansteigt. Deshalb wird der Patient gebeten, kräftig zu pressen (Valsalva-Manöver). Es steigert den Druck im rechten Vorhof kurzfristig, worunter sich ein PFO öffnen kann.
Wichtig: Ein einfacher Ultraschall ohne Kontrastmittel reicht nicht aus. Die Ergebnisse müssen immer im Zusammenhang mit der Tauchgeschichte bewertet werden.
Was sagen die Experten?
Das Konsensuspapier 2025 hält fest:
Ein routinemäßiges Screening aller Taucher ist nicht angezeigt.
Abklärungen sind nur bei besonderen Konstellationen sinnvoll, z. B. bei schwerer Dekompressionskrankheit, insbesondere mit neurologischen Folgen, oder einem ungeklärten Schlaganfall in der Vorgeschichte.
Selbst mit PFO bleibt die Mehrzahl der Taucher ein Leben lang beschwerdefrei.
Das heißt: Eine generelle Pflicht zur Echokardiographie wird nicht empfohlen. Für technische Taucher kann ein Screening jedoch durchaus einen Wert haben, denn das Wissen um ein PFO sensibilisiert und könnte die Bereitschaft erhöhen, sicherheitsrelevante Verhaltensregeln konsequent einzuhalten.
Das eigentliche Problem: Blasenbildung
Das Risiko für Dekompressionskrankheit hängt weniger davon ab, ob jemand ein PFO hat, sondern vielmehr davon, wie viele Blasen im Körper entstehen.
Wer Blasen durch konservatives Tauchverhalten reduziert, senkt sein Risiko – auch mit PFO – deutlich.
Konsequenzen bei einem PFO
Ein PFO-Screening bei technischen Tauchern sollte nicht in erster Linie mit dem Ziel erfolgen, einen eventuellen Befund gleich durch einen Verschluss zu behandeln. Vielmehr dient es dazu, technische Taucher mit PFO gezielt für folgende Sicherheitsmaßnahmen zu sensibilisieren (in Anlehung an die SUHMS-Guidelines):
Nur ein Tauchgang pro Tag
Kälte und Dehydratation vermeiden
Meiden von starker Hauterwärmung nach dem Tauchgang (Sonnenbaden, Sauna, heisse Dusche)
Genügende Wartezeiten einplanen bei Wechsel in eine grössere Höhenlage (z.B. Passfahrten)
Keine Anstrengung und Pressmanöver am Ende des Tauchganges
Körperliche Arbeiten unter Wasser sowie Strömung am Ende des Tauchganges vermeiden
Gerät im Wasser ausziehen und von Helfenden heraus heben lassen.
Anstrengungsfreier Ausstieg an Land oder ins Boot.
Herumtragen von schweren Ausrüstungen vermeiden.
Absolutes Tauchverbot bei Erkältungen! Husten oder Niessen fördert den Übertritt von Bläschen durch das PFO.
Ein absoluter No-Go für technische Taucher mit PFO
Niemals eine Boje (DSMB) mit dem Mund aufblasen! Dieses Pressmanöver öffnet jedes PFO – und zwar genau dann, wenn die Übersättigung und die Wahrscheinlichkeit für venöse Gasblasen am höchsten ist.
Die Botschaft ist klar: Ein PFO sollte zu mehr Disziplin beim technischen Tauchen motivieren – nicht dazu, damit aufzuhören.
Mögliche Nachteile einer generellen Pflichtuntersuchung
Eine Pflicht-Echokardiographie für alle technischen Taucher könnte auch unerwünschte Folgen haben:
Ein negatives Ergebnis kann eine falsche Sicherheit vermitteln und dazu führen, dass wichtigere Faktoren zur Vermeidung einer Dekompressionskrankheit wie bspw. eine konsequente Tauchgangsplanung, die Verwendung von adäquaten Dekogasen, lange Dekostopps, eine gute Hydrierung etc. vernachlässigt werden.
Kleine, klinisch unbedeutende Shunts, welche nie zu einem Problem würden, könnten dazu führen, dass Taucher ausgeschlossen werden.
Die Untersuchung ist kostspielig und – global betrachtet – nicht überall verfügbar, was unnötige finanzielle und organisatorische Hürden schaffen kann. In der Schweiz befinden wir uns jedoch in der komfortablen Lage, dass diese Argumente kaum ins Gewicht fallen.
Fazit
Eine Echokardiographie sollte für technische Taucher kein Pflichtprogramm sein. Wenn sie durchgeführt wird, dann nicht mit dem Ziel eines möglichen PFO-Verschlusses oder zur Ausgrenzung Betroffener, sondern als Instrument zur Aufklärung und Sensibilisierung – mit dem Fokus auf noch sicherere Tauchstrategien.
Die Realität bestätigt diesen Eindruck: In fast allen Fällen, in denen nach einem Dekompressionszwischenfall ein PFO festgestellt wurde, lagen bereits deutliche Fehler in der Tauchplanung oder -durchführung vor. Das PFO war dabei höchstens ein zusätzlicher begünstigender Faktor. Gleichzeitig zeigt die Erfahrung, dass es zahlreiche sehr erfahrene Taucher gibt, die in ihrer Laufbahn viele anspruchsvolle und tiefe Tauchgänge durchgeführt haben, ein PFO besitzen – und dennoch nie einen Dekompressionszwischenfall erlitten.





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