Die US Navy stand vor einem ernsten Problem: Bei Tauchgängen in der Arktis versagten Rebreather wiederholt bereits nach kürzester Zeit – ohne ersichtlichen Grund. Die Navy Experimental Diving Unit (NEDU) nahm sich der Untersuchung an. Diese Episode, geschildert in John Clarkes Buch "Breakthrough: Revealing the Secrets of Rebreather Scrubber Canisters", liefert spannende Erkenntnisse über die Funktionsweise und Herausforderungen des Rebreather-Tauchens.

Bevor wir das Rätsel lösen, möchte ich diese Frage stellen:
Stell dir vor, du gehst mit deinem Rebreather zum Eistauchen ins Engadin. Über Nacht bleibt das Gerät im Auto und kühlt auf die Umgebungstemperatur von 0 °C ab. Welche Maßnahme triffst du für den Tauchgang?
a) Keine – ich tauche wie immer.
b) Ich isoliere den Kalkbehälter mit einer Neoprenumfassung.
c) Ich atme den Kalk 10 Minuten vor.
d) Ich leihe mir das Gerät eines Kollegen und tauche OC (d. h. mit konventioneller Ausrüstung).
e) Ich spüle den Atemloop regelmäßig mit Diluent.
Um das Arktis-Problem zu lösen, simulierte Clarke, der damalige wissenschaftliche Leiter der NEDU, mit einem Computermodell verschiedene Umstände. Dieses hatte er in der Freizeit entwickelt, um die Funktion von Kalk-Kanistern («scrubber») ohne aufwändige, bemannte oder unbemannte Versuche zu testen. In seinem 2023 erschienenen beschreibt er das zugrunde liegende Modell ausführlich und fasst den aktuellen Wissensstand über scrubber zusammen (vgl. auch den Dekoblog-Beitrag vom 6.2.25).
Die Vermutung
Von Beginn an lag die Vermutung nahe, dass die scrubber in der Kälte nicht mehr ausreichend funktionierten – also das CO₂ nicht mehr vollständig absorbierten. Es ist bekannt, dass kalter Kalk eine geringere Absorptionskapazität aufweist, da die chemische Reaktion zwischen CO₂ und dem Kalkgranulat bei niedrigen Temperaturen verlangsamt wird. Dies führt zu einem früheren CO₂-Durchbruch ("breakthrough", deshalb der Buchtitel), einem kritischen Anstieg des CO₂-Partialdrucks im Atemgas eines Rebreathers über 0,5 kPa (5 mbar). Dieser tritt auf, wenn der Kalk entweder vollständig mit CO₂ gesättigt ist oder CO₂ aus anderen Gründen nicht mehr effektiv absorbiert.
Um diesem Effekt entgegenzuwirken, wird empfohlen, den Kalk durch Voratmung vor dem Tauchgang auf Betriebstemperatur zu bringen. Je kälter die Umgebung, desto wichtiger ist diese Maßnahme.
Bestätigung...
Aus NATO-Standardtest ist bekannt, dass bereits nach etwa 40 Minuten ein CO₂-Durchbruch auftritt, wenn der scrubber in kaltem Wasser (35 °F/1,6 °C) betrieben wird.
Wurde der Kalk selbst aber auf 34 °F/1 °C vorgekühlt, kam es fast sofort zu einem Durchbruch, bevor die Absorptionsreaktion einsetzte und das CO₂ im Atemgas zunächst wieder sank. Dies verdeutlicht die Wirksamkeit des Voratmens.
... und Überraschung
Doch Clarke entdeckte eine überraschende Dynamik: Nach weiteren fünf Minuten stieg der CO₂-Gehalt im Atemgas erneut an, und spätestens nach sieben Minuten versagte der Rebreather vollständig. Die anfängliche Erwärmung des Granulats durch die Voratmung hatte zwar kurzfristig eine Aktivierung der Absorptionsreaktion bewirkt, doch die exotherme Reaktion konnte sich nicht selbst aufrechterhalten.
Clarks Computermodell bestätigte diesen Effekt: Während die Absorptionsreaktion zunächst einsetzte, führte das kalte Granulat die entstehende Wärme wieder ab. Dadurch schrumpfte die heiße Reaktionszone und immer mehr CO₂ strömte durch den scrubber, ohne absorbiert zu werden. Das System kollabierte – der Kalk versagte, und es kam zum CO₂-Durchbruch.
Eine ausführliche Voratmung garantiert bei kaltem Kalk keine sichere CO2-Absorption.
Fazit
Selbst eine gründliche Voratmung garantiert bei einem stark ausgekühlten scrubber keine zuverlässige CO₂-Absorption. Die anfängliche Pseudoerholung kann sogar eine trügerische Sicherheit vermitteln. Taucher in extrem kalten Umgebungen sollten daher vermeiden, dass der Rebreather vollständig auskühlt, und ihn möglichst bei Temperaturen deutlich oberhalb des Gefrierpunkts lagern. Eine lange Voratmung allein reicht nicht aus, um eine zuverlässige Funktion zu gewährleisten.
Clarke konnte zudem zeigen, dass eine Isolierung des scrubbers sinnvoll sein kann, wenn in sehr kaltem Wasser getaucht wird. Dadurch kühlen die Randzonen des Kalks weniger aus und bleiben länger aktiv. Diese Maßnahme nützt jedoch nichts, wenn der Kalk bereits vollständig durchgekühlt ist.
Daher wäre Antwort d) die sicherste Lösung für die Fallvignette.
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