Du machst einen tiefen Tauchgang mit deinem Rebreather. Worauf achtest Du bei der Planung besonders?
a) Auf die Laufzeit des scrubbers
b) Auf die maximale Atemgasdichte
c) Auf die Porosität des Kalkes
d) a bis c
e) Alles egal, ich habe eine Heizung!

Wer mit einem Rebreather taucht, hat sich sicherlich schon mit dem Atemkalkbehälter, dem sogenannten „Scrubber“, auseinandergesetzt – einer der wichtigsten Komponenten von Closed-Circuit Rebreathern (CCR). Fragen wie „Wie gut funktioniert er?“, „Wann versagt er?“ oder „Wie lange hält er unter realen Bedingungen im Vergleich zu Testbedingungen?“ beschäftigen viele Taucher. Ebenso stellt sich die Frage, ob die Laufzeit des Kanisters auf Basis der erwarteten Arbeitsleistung von den bei Tests simulierten Werten abweicht.
Mangel an verlässlichen Daten in der zivilen Tauchforschung
Leider mangelt es in der zivilen Tauchforschung an Daten zu diesen Themen. Im Gegensatz verfügt das Militär – bspw. die US Navy Experimental Diving Unit (NEDU) – über solche Daten, um ihre Taucher bei der erfolgreichen Durchführung von Missionen zu unterstützen. Der Zugang zu diesen Informationen ist für Zivilisten jedoch äußerst eingeschränkt.
Die Arbeit von John Clarke
Hier kommt John Clarke ins Spiel. Als ausgebildeter Physiologe war er 28 Jahre lang wissenschaftlicher Direktor der NEDU, wobei ein Großteil seiner Arbeit sich um Rebreather und somit auch um den Scrubber drehte. Seine Erkenntnisse aus jahrzehntelanger Forschung fasste er in seinem Buch „Breakthrough: Revealing the Secrets of Rebreather Scrubber Canisters“ zusammen. Es gilt als aktuelles State-of-the-Art-Werk zu diesem Thema und wurde vor der Veröffentlichung vom amerikanischen Verteidigungsministerium auf das Vorhandensein klassifizierter Informationen geprüft und genehmigt.
In den folgenden Blogbeiträgen sollen besonders interessante Erkenntnisse aus diesem Buch, welches 2023 publiziert wurde, näher beleuchtet werden.
Ein Fenster in die Welt der Scrubber-Funktion
Da auch die NEDU nicht unbegrenzt Experimente zum Rebreather-Tauchen durchführen kann, entwickelte Clarke in seiner Freizeit ein Computermodell für Kalk-Kanister. Dieses Modell dient dazu, verschiedenste Situationen zu simulieren und berücksichtigt das gesamte Wissen über Scrubber. Neben Basisdaten wie der zu absorbierenden CO₂-Menge und der Atemrate werden zahlreiche weitere Parameter berücksichtigt. Dazu gehören unter anderem:
Granularität des Kalks: Die Korngröße beeinflusst sowohl die CO₂-Absorptionskapazität als auch den Atemwiderstand.
Druckabfall über dem Kanister: Ein entscheidender Faktor für den Atemwiderstand.
Umgebungstemperatur: Sie wirkt sich auf die chemische Kinetik der CO₂-Absorption aus.
Chemische Kinetik: Clarke berechnet diese nicht deterministisch, sondern stochastisch, das heißt, er nutzt Zufall und statistische Gesetzmäßigkeiten, um realitätsnahe Resultate zu erzielen.
Funktionsweise des Modells
Das Modell simuliert bis zu 288.000 diskrete Zellen innerhalb eines CO₂-Absorptionsbetts. In jeder dieser Zellen wird die Wärme- und CO₂-Übertragung modelliert. Dabei steigt die Wahrscheinlichkeit einer Absorptionsreaktion bspw. mit der Temperatur, da höhere Temperaturen die CO₂-Diffusivität erhöhen und mehr Energie für chemische Reaktionen zur Verfügung steht. Zwar handelt es sich hierbei um eine Simulation, die mit 5 bis 21 Millionen absorbierten CO₂-Molekülen rechnet – im Vergleich dazu produziert ein mäßig arbeitender Taucher bei einem zweistündigen Tauchgang über 160 Liter CO₂ (entsprechend etwa 43 x 10^23 Molekülen), was 10^15 bis 10^16-mal mehr Moleküle sind als in der Simulation –, doch ermöglicht das Modell das Studium zahlreicher Bedingungen und liefert faszinierende Erkenntnisse.
Erkenntnisse für den praktischen Einsatz
Dies bringt uns zu eingangs gestellter Frage, welche im Modell simuliert wurde:
Lange Tauchgänge und Kanisterlaufzeit: Ein tiefer Tauchgang geht aufgrund der erforderlichen Dekompressionszeit zwangsläufig mit einer langen Tauchzeit einher. Eine lange Kanisterlaufzeit ist daher unabdingbar.
Granularität des Kalks: Feingranularer Kalk bietet aufgrund seiner größeren Oberfläche eine höhere CO₂-Absorptionskapazität als grob poröser Kalk und wäre daher zu bevorzugen.
Atemgasdichte: Mit zunehmender Tauchtiefe wird das Atemgas dichter, was den Atemwiderstand erhöht. Ein feingranularer Kalk führt zu einem stärker gepackten Kanister und damit ebenfalls zu einem höheren Atemwiderstand.
Die Simulation zeigt, dass eine maximale Atemgasdichte von 6 g/l nicht überschritten und dass ein nicht zu feingranularer Kalk gewählt werden sollte, um den Atemwiderstand in Notsituationen, wenn große Atemvolumina erforderlich sind, nicht zu hoch werden zu lassen, da dieser dann nicht mehr überwunden werden kann. (N.B. Die Atemgasdichte überschreitet den Wert von 6.0 g/dl bei einem pO2-Setpoint von 1.3 bar und Luft als Diluent ab einer Tiefe von 41 m.)
Eine längere Kanisterlaufzeit nützt nichts, wenn man wegen eines hohen Atemwiderstandes nicht mehr atmen kann!
Das Kalkprodukt und die Qualitätskontrolle
Die Simulation wurde mit Kalkgranula der Größe 8 bis 12 gerechnet. Dieses Produkt entspricht dem am häufigsten verwendeten Kalk, Sofnolime 797, da seine Körnchengrößen den Öffnungen in einem Drahtgeflecht der Größe 8 bis 12 ähneln. Entscheidend bleibt jedoch die Frage, wie genau die Größenverteilung der Kalkpartikel in der jeweiligen Charge ist. Die NATO überprüft die Qualität des Kalks mittels Siebanalyse und erstellt eine Verteilkurve der Granularität, um die CO₂-Absorptionskapazität und den Atemwiderstand präzise vorhersagen zu können. Ist der Kalk zu grob, sinkt die CO₂-Absorptionskapazität; enthält er hingegen zu viele feine Granula, kann der Atemwiderstand höher als erwartet sein. Wir Normalverbraucher kennen die Streubreite eines Kalkproduktes aber nicht.
Plan your dive, dive your plan!
Fazit
Es ist deshalb entscheidend, die Parameter zu wählen, die man beeinflussen kann – in diesem Fall die Atemgasdichte. Ein wenig dichtes Atemgas ist unabdingbar für tiefe Tauchgänge mit Rebreathern. Deshalb gilt «je tiefer desto Helium», was wiederum Auswirkungen auf die Dekompressionszeit und die Laufzeit des Scrubbers hat.
Lösungen a) bis c) sind demnach korrekt – denn selbst die beste Kanisterlaufzeit nützt nichts, wenn der Atemwiderstand zu hoch wird, um überhaupt noch atmen zu können.
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