Die Sterbehilfe ist in der Schweiz seit Jahren ein wichtiges Thema. Die Suizidkapsel "Sarco" hat weltweit mediale Aufmerksamkeit erregt, vor allem durch ihre neuartige Herangehensweise an assistierten Suizid und die ethischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Debatten, die sie entfacht hat. Vor Kurzem schied die erste Person im «Sarco» in einem Schaffhauser Wald aus dem Leben. Die Promotoren und viele Medienbeiträge suggerieren, dass durch die Einleitung von Stickstoff in die Kapsel vor dem Tod Euphorie oder ein angenehmer Rauschzustand auftreten. Nicht zuletzt als Taucher frage ich mich: Kann das sein?
Sarco ist eine 3D-gedruckte Kapsel, die vom australischen Sterbehilfe-Befürworter Dr. Philip Nitschke entwickelt wurde. Nachdem die sterbewillige Person darin Platz genommen hat, wird Stickstoff eingeleitet. «Nach etwa eineinhalb Minuten fühlen sie sich» gemäss Nitschke «desorientiert – etwa vergleichbar mit ein paar Drinks zu viel – und ein paar Minuten später verlieren Sie das Bewusstsein.» Danach tritt der Tod ein. Auf Videoaufnahmen des ersten Suizids sei zu sehen, wie sich der Körper der Sterbenden, die zu diesem Zeitpunkt bereits bewusstlos war, verkrampft hätte. Dies ist gemäss NZZ «eine Reaktion, die bei Suizid mittels Stickstoff häufig beobachtet wird.»
Diese Darstellung erscheint mir, um es zurückhaltend auszudrücken, irreführend. Alle Tauchenden kennen den Begriff des Tiefenrausches, der durch die narkotische Wirkung von Stickstoff bei erhöhtem Partialdruck verursacht wird. Diese Stickstoffnarkose ist zwar individuell ausgeprägt, begrenzt aber das sichere Tauchen mit Pressluft auf ca. 40 m Tiefe entsprechend einem Stickstoffpartialdruck von 4 bar. Die Effekte werden mit zunehmender Tiefe intensiver: Von leichter Euphorie in geringen Tiefen über Konzentrationsstörungen und Desorientierung bis hin zu Bewusstlosigkeit bei Partialdrucken ab etwa 10 bar. Bereits bei einem Partialdruck von 2,5 bar können leichte psychomotorische Einschränkungen auftreten, doch signifikante Effekte zeigen sich erst bei höheren Werten.
Nun ist der «Sarco» jedoch keine Druckkammer. Kann das Einleiten von Stickstoff in die Kapsel tatsächlich eine Euphorie oder gar einen Rauschzustand auslösen, wie suggeriert wird? – Sicher nicht. Ein Stickstoffpartialdruck von 1 bar ruft keinerlei Rauscheffekt hervor. Andernfalls würde dies bedeuten, dass man sich beinahe schon beim Schnorcheln einem Tiefenrausch aussetzen würde.
Die Wahrheit ist: In der „Sarco“-Kapsel wird Sauerstoff durch Stickstoff verdrängt, was zum Erstickungstod führt. Der Stickstoff selbst hat dabei keine narkotische Wirkung. Schon gar nicht verursacht er einen generalisierten Krampfanfall des Körpers. Dieser und die oben genannten Symptome sind Folge des Sauerstoffmangels. Oder um es klar zu sagen: Die Suizidwilligen ersticken im „Sarco“. Vom Stickstoff merken sie nichts.
Ich würde mir eine klarere Berichterstattung durch die Medien wünschen. Vielleicht ist das Verständnis über die Funktionsweise der Kapsel unzureichend – oder man will es gar nicht allzu genau wissen, denn „Narkose und Euphorie durch Stickstoff“ klingt angenehmer als „Tod durch Ersticken in einem Sarkophag“. Immerhin bezieht swissmedic unmissverständlich Stellung zur Funktionsweise von «Sarco»: Stickstoff „verdrängt den Sauerstoff, was zum Erstickungstod der sterbewilligen Person führt.“
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