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Tauchgänge mit Pressluft in Tiefen über 40 m

Autorenbild: Michael MutterMichael Mutter

In unserer Tauchschule haben wir in letzter Zeit mehrfach über das Thema Pressluft-Tauchgänge in Tiefen von über 40 Metern diskutiert. Ein Thema, das sicherlich viele begeisterte Taucher interessiert. Dieser Blogbeitrag möchte eine Einschätzung aus Schweizer Perspektive bieten.


Walensee. Bildvorlage: Karin Aggeler


Stickstoffnarkose

Das Limitieren von Tauchgängen mit Pressluft auf maximal 40 m ist heute allgemein anerkannt und gilt weltweit als Standard. Hauptgrund dafür ist das Vermeiden einer Stickstoffnarkose (Tiefenrausch). Dies gilt auch für die Schweiz. Die Druckluftverordnung von 2015 schreibt im Artikel 52 für Unterwasserarbeiten unter Pressluft eine maximale Tauchtiefe von 40 m vor und lässt maximal einen Stickstoffpartialdruck von 4 bar zu.

 

Die Gasdichte

Ein meines Erachtens völlig unterschätztes Problem ist die Gasdichte. Mit zunehmender Tauchtiefe steigt die Dichte des Atemgases aufgrund des Umgebungsdruckes. Unter den Tauchmedizinern seit längerem anerkannt ist, dass die maximale Atemgasdichte 6,2 g/l nicht überschreiten sollte, da jenseits dieses Wertes Probleme jeglicher Natur exponentiell zunehmen. Eine übermäßige Atemarbeit verringert die Reservekapazität des Tauchers, um in einem möglichen Notfall mit körperlicher Anstrengung umgehen zu können.


Anthony und Mitchell empfehlen, eine Gasdichte von 5,2 g/l optimalerweise nicht zu überschreiten, und setzen die absolute Obergrenze bei 6,2 g/l. Wohl am ehesten aus Gründen der Logistik - ein konsequentes Einhalten wäre nur unter der Verwendung von Helium möglich - werden diese Limiten leider bislang auf breiter Front ignoriert. Allerdings hat beispielsweise der BSAC (Britsh subaquatic club) diese in seine Richtlinien aufgenommen. Ein Wert von 6,2 g/l ist mit Pressluft bei einer Temperatur von 20 °C spätestens ab einer Tiefe von 43 m überschritten, bei tieferen Temperaturen bereits in geringeren Tiefen.

 

Das Wagnis

Der Bundesrat kann aussergewöhnliche Gefahren und Wagnisse bezeichnen, die in der Versicherung der Nichtberufsunfälle zur Verweigerung sämtlicher Leistungen oder zu Kürzungen der Geldleistungen führen. Nach Art. 50 Abs. 2 UVV sind Wagnisse Handlungen, mit denen sich der Versicherte einer besonders grossen Gefahr aussetzt, ohne die Vorkehrungen zu treffen oder treffen zu können, die das Risiko auf ein vernünftiges Mass beschränken.

 

Im Allgemeinen gilt das Tauchen mit Pressluft in Tiefen von mehr als 40 m als ein Wagnis, weil jenseits davon die Gefahr einer Stickstoffnarkose deutlich ansteigt. Überdies ist ganz allgemein davon auszugehen, dass die Probleme und damit die Gefahren erheblich zunehmen, je tiefer man taucht (vergl. oben). Diese Limite von 40 m wurde im Jahr 2010 nach einer Aussprache zwischen verschiedenen schweizerischen Tauchorganisationen einerseits und Versicherungsgesellschaften (inkl. SUVA) andererseits bestätigt. 

 

Die Praxis der SUVA bietet insofern einen Spielraum, als dass Tauchgängen mit Pressluft bis zu 50 m Tiefe der Charakter eines Wagnisses abgesprochen werden kann (aber nicht muss!), wenn sie von Tauchern mit ausserordentlich guter Ausbildung und ausserordentlich grosser Erfahrung durchgeführt werden. Diese Voraussetzungen erfüllen in der Regel nur Tauchinstruktoren.

Unter dieser Grundlage beurteilt die SUVA Tauchen tiefer als 40 m als absolutes Wagnis. Es gibt aber auch ein Urteil des Bundesgerichts, welches Tauchen tiefer als 40 m als relatives Wagnis bezeichnet.

 

Bei einem absoluten Wagnis ist - ausser in besonders schweren Fällen - die Versicherungsdeckung geben, aber die Geldleistungen werden um 50 % gekürzt. Wagnisse kommen nur bei Nichtberufsunfällen zur Anwendung. Bei Berufsunfällen besteht theoretisch die Möglichkeit der Regressforderung!

 

Für Taucher mit ausserordentlich guter Ausbildung und ausserordentlich grosser Erfahrung - und dazu gehören in der Regel Tauchlehrer - gilt zwar eine Limite von 50 m.

Auf keinen Fall darf man dies als Freibrief für die Planung von 50 m-Tauchgängen mit Pressluft interpretieren. Man man bewegt sich hier bestenfalls in einer Grauzone, nicht zuletzt bei Tauchern, welche den 50 m-Tauchgang im Zusammenhang mit ihrem Beruf ausüben, beispielsweise bei Polizei- oder Militärtauchern. Auch besteht bei Berufsunfällen wie erwähnt theoretisch die Möglichkeit der Regressforderung.

 

Krankheit – immer ungünstig

Darüber hinaus existiert ein weiteres, oft übersehenes Problem. Das oben Gesagte gilt nur für Unfälle. Ein Unfall ist per rechtlicher Definition eine plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat. Fehlt einer dieser Aspekte, wird das Ereignis nicht als Unfall, sondern als Krankheit eingestuft. Bei einem Tauchzwischenfall wäre deshalb zuerst zu prüfen, ob dieser überhaupt als Unfall gilt.

 

Ein Dekompressionszwischenfall gilt als Krankheit und das oben Erwähnte fände in diesem Fall keine Anwendung. Eine Druckkammerbehandlung wird deshalb von den Krankenkassen obligat bezahlt. Dies ist nur auf den ersten Blick eine gute Nachricht, denn sehr viele Taucher verfügen über keine Taggeldversicherung bei Krankheit. Dies bedeutet, dass bei Arbeitsunfähigkeit wegen einer schweren Dekompressionskrankheit ggf. mit empfindlichen Lohneinbussen zu rechnen ist. Auch fallen die Geldleistungen bei bleibender Invalidität wegen Krankheit oft viel geringer aus als bei einem Unfall. Dies würde auch auf eine (Teil-)Invalidität wegen Dekompressionskrankheit zutreffen.

  

Fazit

Aus den genannten medizinischen Gründen ist von Tauchgängen mit Pressluft auf Tiefen über 40 m dringend abzuraten, hält man sich zusätzlich die möglichen versicherungstechnischen Umtriebe bei einem Zwischenfall vor Augen, ohnehin.

 

Darüber hinaus besteht bei einer Dekompressionskrankheit bei fehlender Krankentaggeldversicherung das Risiko von empfindlichen Lohneinbussen und bei bleibender Invalidität von tieferen Rentenansprüchen.

 

Tauchorganisationen sollten Pressluft-Tauchgänge konsequent auf 40 Meter Tiefe begrenzen, unabhängig von den Umständen. Dies schützt ihre Mitglieder nicht nur vor potenziellen gesundheitlichen Risiken, sondern auch vor versicherungstechnischen Unwägbarkeiten.

 
 
 

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