Der kontrollierte Notaufstieg (Controlled Emergency Swimming Ascent, CESA) ist eine standardisierte Übung in der Tauchausbildung. Trotz strikter Sicherheitsvorkehrungen birgt diese Technik Risiken, insbesondere für das Auftreten eines Lungenbarotraumas, wie der Fallbericht eines Tauchunfalles verdeutlicht.

Fallbericht
Ein 23-jähriger, gesunder Tauchschüler erlitt während eines Anfängerkurses ein Lungenbarotrauma mit cerebraler arterieller Gasembolie (CAGE) nach der Durchführung eines kontrollierten Notaufstiegs (Controlled Emergency Swimming Ascent, CESA). Die Übung verlangte das Abtauchen auf 6 Meter, das Entfernen des Atemreglers aus dem Mund und das kontinuierliche Ausatmen während des Aufstiegs, gefolgt vom manuellen Aufblasen des Tarierjackets an der Wasseroberfläche. Unmittelbar nach dem Aufblasen des Jackets erblindete der Taucher kurzzeitig und verlor das Bewusstsein. Während er vom Tauchlehrer an die Küste gezogen wurde, konnte er dessen Stimme hören, war jedoch nicht in der Lage zu sprechen und verspürte eine ausgeprägte Schwäche der rechten Körperhälfte. Zusätzlich klagte er über stechende Schmerzen in der linken Brusthälfte.
Bei Eintreffen des Rettungsdienstes, etwa 20 Minuten nach dem Vorfall, waren die Vitalparameter unauffällig, und die rechtsseitige Schwäche hatte sich vollständig zurückgebildet. Nach weiteren 30 Minuten in der Notaufnahme waren sämtliche neurologischen Symptome abgeklungen, einzig die linksseitigen Brustschmerzen persistierten. Eine Röntgenaufnahme des Thorax zeigte einen kleinen Pneumothorax an der linken Lungenspitze. Eine weiterführende Computertomographie bestätigte bilaterale Pneumothoraces der Lungenspitzen, ein Pneumomediastinum (Luftansammlung im Raum um Herz, Bronchien, Luft- und Speiseröhre) sowie ein Pneumoperikard (Luft im Herzbeutel).
Trotz der initialen Diagnose eines Lungenbarotraumas mit begleitender cerebraler arterieller Gasembolie wurden keine neurologischen Defizite festgestellt. Aufgrund der schnellen spontanen Erholung und der bilateralen Pneumothoraces, welche eine Thoraxdrainage erforderlich gemacht hätten, wurde auf eine Druckkammerbehandlung verzichtet. Stattdessen erhielt der Patient über Nacht eine normobare Sauerstofftherapie. Am Folgetag zeigte er sich klinisch weitgehend erholt, abgesehen von leichten Gleichgewichtsstörungen. Er wurde mit einem vorläufigen Tauchverbot entlassen. Nachkontrollen ein und zwei Monate später ergaben keine Auffälligkeiten, und sowohl die Computertomographie als auch die Lungenfunktionsprüfung waren unauffällig. Dem Patienten wurde geraten, für mindestens sechs Monate auf das Tauchen zu verzichten und eine mögliche Wiederaufnahme der Aktivität kritisch zu überdenken.
CESA
Das Verfahren des Controlled Emergency Swimming Ascent (CESA) wurde ursprünglich als Notfallstrategie für out-of-air-Situationen eingeführt und ist bis heute Bestandteil vieler Tauchausbildungsprogramme. Während das Risiko eines pulmonalen Barotraumas oder einer arteriellen Gasembolie während CESA als gering gilt – eine PADI-Studie ermittelte eine Inzidenz von 0,31 Fällen pro 100.000 Aufstiege – haben einige Tauchorganisationen den Nutzen dieses Trainings hinterfragt. So hat beispielsweise der belgische Unterwasserverband CESA-Übungen aus dem Ausbildungsprogramm gestrichen, nachdem ein signifikanter Anteil von Barotrauma-Fällen während solcher Trainings dokumentiert wurde. Andere Organisationen, darunter PADI, bestehen weiterhin auf die Durchführung eines Notaufstiegs aus 6 bis 9 Metern unter strikter Kontrolle des Tauchlehrers.
CESA ist obsolet.
Der hier beschriebene Fall verdeutlicht jedoch die potenziellen Risiken des Verfahrens, selbst wenn es regelkonform ausgeführt wird. Der Taucher erlitt trotz korrekter Anwendung des CESA ein Lungenbarotrauma mit einer arteriellen Gasembolie, was Fragen zur Notwendigkeit dieses Trainings aufwirft. Inzwischen existieren alternative Sicherheitsmaßnahmen, wie das Einhalten von Minimum-Gas-Regeln, das Trainieren der Wechselatmung sowie die routinemäßige Nutzung des Ersatzregulators des Tauchpartners, die in modernen Anfängerkursen standardmässig vermittelt werden. Dies macht das gezielte Training eines CESA obsolet – im Sporttauchen, vom technischen Tauchen ganz zu schweigen.
Pneumothorax und Rückkehr zum Tauchen
Ein generelles Tauchverbot wurde in diesem Fall nicht ausgesprochen, da der Pneumothorax nicht spontan auftrat, sondern als Folge einer Notfallsituation, die durch angemessenes Training grundsätzlich vermeidbar sein sollte. Dennoch bleibt die Frage, ob eine verborgene Prädisposition zur Entstehung des Lungenbarotraumas beigetragen haben könnte.
Air-Trapping als möglicher Risikofaktor
Am Rande wird erwähnt, dass der Patient im Kindesalter Asthma hatte. Es bleibt jedoch offen, ob im Rahmen der Lungenfunktionsprüfungen eine Bronchoprovokationstestung (gezieltes Auslösen einer Bronchienverengung durch Inhalation reizender Substanzen) durchgeführt wurde, um eine verbleibende Asthmaproblematik auszuschließen. Ein unentdecktes oder unzureichend kontrolliertes Asthma kann durch Air-Trapping (Lufteinschluss in den Alveolen aufgrund erschwerter Ausatmung infolge einer bronchialen Entzündung oder Verengung) das Risiko eines Lungenbarotraumas signifikant erhöhen.
Da Asthmatiker nur dann als tauchtauglich gelten, wenn ihr Asthma medikamentös gut kontrolliert ist, wäre eine detaillierte Abklärung in diesem Fall dringend zu empfehlen. Ein unerkanntes Asthma könnte das Risiko für zukünftige Tauchzwischenfälle erheblich steigern und sollte daher vor einer Entscheidung zur Wiederaufnahme des Tauchens sorgfältig abgeklärt werden.
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