Sporttauchen ist schon fast ein Volkssport. Auch Kindern steht Gerätetauchen heute offen und verschiedene Tauchorganisationen bieten Kindertauchkurse bereits ab dem 8. Altersjahr an. Tauchen erfordert neben einer entsprechenden Ausrüstung auch eine spezifische Ausbildung und die körperliche und geistige Bereitschaft, die mit dem Tauchen verbundenen Risiken zu bewältigen. Panik ist ein wichtiger Faktor, der zu Unfällen beim Tauchen beiträgt, wobei Ertrinken die häufigste Todesursache ist. Für das Kindertauchen fehlen verlässliche Zahlen. Eine Studie hat versucht, diese Wissenslücke zu verkleinern.
Kinderspezifische Faktoren
Verschiedene physische und psychologische Faktoren machen Kinder anfällig für tauchspezifische Schädigungen.
Ertrinken und Panik
Ertrinken ist die häufigste Todesursache beim Kindertauchen, wobei Panik ein wichtiger Faktor ist. Panik kann zu gefährlichen Verhaltensweisen führen, wie z. B. zu unkontrollierten, schnellen Aufstiegen, die das Risiko schwerer Verletzungen wie einem Lungenbarotrauma in sich bergen.
Gehirnentwicklung im Kindesalter
In der Kindheit macht das Gehirn eine bedeutende Entwicklung durch, insbesondere im präfrontalen Kortex und in der Amygdala, die für die Entscheidungsfindung, die emotionale Kontrolle und die Erkennung von Gefahren verantwortlich sind. Diese noch andauernde Entwicklung bedeutet, dass es Kindern schwerfallen kann, auf Notfälle unter Wasser angemessen zu reagieren, was ihr Potential für Panik und Verletzungen erhöht.
Barotrauma der Lunge (pulmonales Barotrauma, pBT)
Ein Lungenbarotrauma stellt ein erhebliches Risiko für junge Taucher dar, insbesondere bei schnellen, durch Panik verursachten Aufstiegen. Als Folge des Gesetzes von Boyle-Marriotte kann es beim Auftauchen durch das sich expandierende Lungenvolumen zur Überdehnung des Lungengewebes bis hin zu Pneumothorax und arterieller Gasembolie (AGE) kommen, wenn der Atem angehalten wird.
Asthma
Asthma ist bei Kindern weit verbreitet und kann die Risiken beim Tauchen verschlimmern. Bronchokonstriktion (Engstellung der Bronchien), air trapping (Lufteinschluss in den Alveolen als Folge der Bronchokonstriktion) und verminderte körperliche Belastbarkeit, die mit Asthma einhergehen können, erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines pulmonalen Barotraumas beim Atmen von Pressluft bereits in geringer Tauchtiefe.
Entwicklung der Eustachischen Röhre
Die Eustachische Röhre, die den Druckausgleich im Mittelohr ermöglicht, ist erst im Alter von etwa 12-13 Jahren voll entwickelt. Kinder macht die kürzere und horizontalere Ausrichtung der Eustachischen Röhre anfälliger für Barotraumata, vor allem, wenn auch noch Polypen (Schleimhautwucherungen infolge chronischer Entzündungen) vorhanden sind, welche sich in der Kindheit häufig finden.
Temperaturverlust
Kinder verlieren beim Tauchen aufgrund ihrer größeren Körperoberfläche im Verhältnis zur Körpermasse mehr Wärme als Erwachsene.
Offenes Foramen ovale (Patent Foramen Ovale, PFO)
Das PFO, eine kleine Öffnung in den Vorkammern, die nach der Geburt bestehen bleiben kann, kommt bei ca. einem Drittel der Bevölkerung vor. Obwohl das PFO bei Erwachsenen das Risiko einer Dekompressionskrankheit (decompression sickness, DCS) erhöht, scheint die Häufigkeit einer DCS bei Kindern geringer zu sein, was auf die Tiefenbeschränkungen zurückzuführen sein dürfte, die im Kindertauchen gelten.
Die Studie
In der Studie wurden 149 Tauchunfälle bei Minderjährigen aus der Datenbank des Divers Alert Network (DAN) (2014-2016) retrospektiv analysiert und nach den häufigsten Tauchunfallarten wie PBt und DCS kategorisiert.
Der häufigste Grund für einen Notruf war die DCS, aber nur 16 % dieser Fälle wurden als DCS bestätigt. Fast die Hälfte der mutmasslichen DCS stellten sich nicht als DCS, sondern als reine muskulo-skelettale Probleme heraus. Die meisten gesicherten Schädigungen betrafen Hals-, Nasen- und Ohrenprobleme (32 %). Diese wurden alle bereits vor dem Notruf als solche erkannt. Grossmehrheitlich waren davon Kinder während ihres ersten Tauchganges betroffen.
In 15 Fällen (13 %) wurde eine PBt diagnostiziert, häufig im Zusammenhang mit schnellen Aufstiegen aufgrund von Angst oder Panik, wie bspw. in einem Fall mit einer Panikattacke unter Wasser und schnellem Aufstieg mit angehaltenem Atem. In anderen Fällen trugen Probleme mit der Ausrüstung oder Atemanhalten dazu bei, bspw. wegen eines abblasenden Regulators oder Überbleiung. In zwei dieser Fälle wurde auch eine arterielle Gasembolie (AGE) festgestellt.
Angst und Panik spielen eine zentrale Rolle bei vielen Tauchunfällen mit Kindern.
15 % entfielen auf muskulo-skelettale Probleme (z.B. zu grosses und zu schweres Tauchgerät) und 8 % auf Verletzungen durch gefährliche Meerestiere.
In mehreren Fällen war es schwierig, zwischen «echten» Tauchunfällen und Symptombildung aufgrund von Angst zu unterscheiden. Beispielsweise wurde bei einem Notruf ein Immersions-Lungenödem vermutet. Schliesslich stellte sich der Fall aber als Panikattacke heraus als Folge von Überforderung und schlechter Sicht bei einem Anfänger. In einem anderen Fall musste die Küstenwache wegen Verdachts auf ein DCS ausrücken. Letztlich wurde der Fall aber als Hyperventilationsattacke beurteilt.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ohr- und Nasennebenhöhlenbarotraumen die häufigsten Verletzungen bei minderjährigen Tauchern sind, insbesondere bei unerfahrenen. Pulmonale Barotraumen (PBt) treten in dieser Gruppe häufiger auf als Dekompressionskrankheiten (DCS), was zeigt, dass Minderjährige trotz weniger provokanter Tauchgänge einem erheblichen Verletzungsrisiko ausgesetzt sind.
Angst und Panik spielen in vielen PBt-Fällen eine zentrale Rolle, da die psychologische Unreife von Minderjährigen zu schlechten Entscheidungen und Panik unter Wasser führen kann, was wiederum schnelle Aufstiege und Verletzungen begünstigt. Minderjährige sind im Vergleich zu Erwachsenen beim Tauchen mit besonderen Herausforderungen konfrontiert sind, u. a. mit Einschränkungen bei den exekutiven Funktionen, der Reaktion auf Stress und den körperlichen Fähigkeiten. Die psychologische Unreife von Minderjährigen kann zu schlechten Entscheidungen und Panik unter Wasser führen mit der Folge von schnellen Aufstiegen und PBt.
Speziell zu nennen sind hier Kinder mit ADHS (Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsdefizit), welche Mühe haben, sich zu fokussieren. Darüber hinaus stehen diese oft unter Medikamenten (z.B. Ritalin), dessen Wirkung unter Überdruckbedingungen unbekannt ist.
Zu fordern ist eine enge Beaufsichtigung, gute Ausbildung und eine sorgfältige Bewertung der psychologischen Reife und Tauchtauglichkeit von Minderjährigen sowie eine spezielle Ausbildung für Tauchlehrer, um die besonderen Bedürfnisse junger Taucher vollumfänglich berücksichtigen zu können.
댓글