Der 46-jährige, gesunde Taucher hatte einen Tauchgang mit Pressluft zu den Lediwracks im Walensee unternommen mit einer Grundzeit von 35 Minuten auf 35 m (D12). Ca. 15 Minuten nach dem Auftauchen kam es zu Kribbeln Juckreiz und zu Cutis marmorata am Rumpf. Im nächstgelegenen Spital, welches er später am Abend aufsuchte, wurde der Verdacht auf ein Dekompressionssyndrom Typ I (leichtes Dekompressionssyndrom) gestellt und über Nacht mit normobarer Sauerstofftherapie behandelt. Die Symptomatik verschwand vollständig bis zum nächsten Morgen und trat nicht wieder auf. Weitere Symptome verspürte der Patient nicht.
Er hatte vor dem Tauchgang den ganzen Tag fast nichts getrunken und war müde von der Arbeit. In den Tagen zuvor war er nicht getaucht. Er taucht seit 7 Jahren mit knapp 300 Tauchgängen und verfügt über ein NAUI-Brevet bis 40 m inklusive Nitrox. Er raucht ca. 15 Zigaretten täglich. Er möchte nächstes Jahr einen Tech-Dive-Kurs bei PADI machen (Brevetierung bis 50 m). Seit dem Dekompressionssyndrom ist er nicht mehr getaucht.
Die tauchmedizinische Abklärung inkl. transthorakaler Echokardiographie (Herzultraschall) zeigte keine Probleme. Allerdings fand sich ein Vorhofseptumaneurysma (laxe Vorhofscheidewand). Dieses ist sehr oft assoziiert mit einem offenen Foramen ovale (Patent Foramen Ovale/PFO). Hergang und Präsentation des Dekompressionssyndroms nach einem einzigen «bounce dive» sind ebenfalls äusserst suggestiv für das Vorliegen eines offenen Foramen ovale als möglichen Risikofaktor. Hier ist insbesondere das Bild der Cutis marmorata zu nennen, eine typische Hautverfärbung, die eng assoziiert ist mit einem Übertritt von Gasblasen in den grossen Kreislauf durch ein offenes Foramen ovale. Darüber hinaus sind die ungünstige Atemgaswahl (Pressluft bei einer Grundzeit von 35 Minuten auf 35 m Tauchtiefe) sowie ein mutmasslich schlechter Hydrierungszustand als Ursachen für das Dekompressionssyndrom zu nennen.
Typisch für die Dekompressionskrankheit ist das Auftreten erst nach dem Tauchgang innerhalb der ersten Stunde, da dann die grösste Übersättigung vorliegt und somit das Risiko einer Blasenbildung am grössten ist.
Die normobare Sauerstofftherapie (d.h. «normale» Sauerstoffgabe) im Spital war unter diesen Umständen vertretbar. Treten keine fortschreitenden oder komplizierten Symptome auf die bspw. Lähmungserscheinungen, darf auf eine Druckkammerbehandlung verzichtet werden, sofern der Patient beobachtet wird.
Wie geht es nun weiter? Darf der Betroffene wieder tauchen?
Ihm ist sehr zur Durchführung einer transösophagealen Echokardiographie («Schluck-Echo») zum sicheren Nachweis oder Ausschluss eines PFOs, nicht zuletzt mit Blick auf seine weitere Tauchkarriere, zu raten. Unabhängig davon ist ihm dringend zu empfehlen, dass er sich an die Richtlinien des "low bubble diving" hält. Diese umfassen in erster Linie Massnahmen zur Verhinderung einer Gasblasenbildung per se. Zu nennen ist hier inbesondere die konsequente Verwendung von Nitrox. Bei tieferen, längeren Tauchgängen, wie sie der Betroffene durchführt, sollen auch Dekompressionsgase im Sinne des «advanced Nitrox diving» verwendet werden. Darüber hinaus ist auf das Vermeiden von Dehydrierung resp. auf genügendes Trinken, langes Austauchen respektive lange Dekompressionsstopps auf flachen Tauchstufen am Ende des Tauchganges, das Vermeiden von Wiederholungsstauchgängen oder auf lange Oberflächenintervalle zu achten. Auch sollte in der ersten Stunde nach dem Tauchgang auf grössere Anstrengungen verzichtet werden.
Liegt ein PFO vor oder ist ein solches wie in diesem Fall stark zu vermuten, müssen ausserdem Pressmanöver unterlassen werden, da diese das PFO kurz öffnen und so den Blasenübertritt begünstigen können. Dies gilt für spontane wie Husten oder Niessen ebenso wie für gewollte. Aus diesem Grund gilt für PFO-Betroffene bei Erkältungen ein absolutes Tauchverbot. Aus dem gleichen Grund ist empfohlen, dass Tauchgeräte bereits im Wasser ausgezogen und von Buddies an Land getragen werden (sofern diese kein PFO haben!) Bereits ein Pressmanöver beim Heben der Ausrüstung kann ein PFO öffnen. Weil die Übersättigung und damit das Risiko der Blasenbildung in der ersten Stunde nach dem Tauchgang am grössten sind, gilt dies in dieser Phase nach dem Tauchgang für alle Tätigkeiten. Schliesslich müssen PFO-Betroffene auch dringend darauf verzichten, ihre Dekobojen mit dem Mund aufzublasen. Bei diesem Manöver öffnet sich jedes PFO und die Blasenbildung ist umso grösser, je länger und tiefer getaucht wurde. Dieser Umstand betrifft in erster Linie technische Taucher, die auf das Setzen von Dekobojen angewiesen sind. Hier schafft der Inflatorschlauch an der ersten Stufe der stage Abhilfe.
Grundsätzlich darf der Betroffene wieder tauchen. Er muss sich aber dringend an die obgenannten Empfehlungen halten. Diese werden in einer Richtlinie der SUHMS gut zusammengefasst. Auch anspruchsvolle Tauchgänge sind so mit einem PFO möglich und ein Verschluss des PFO ist nicht zwingend nötig. Dieser kann zwar eine gewisse Sicherheit bieten. Da trotzdem auch in Zukunft ein Risiko für eine Dekompressionskrankheit bestehen bleibt, sind die genannten Verhaltensmassnahmen aber viel wichtiger als eine kardiologische Intervention.
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