Beim Tauchen mit geschlossenen Kreislaufgeräten (Closed Circuit Rebreather, CCR) spielt das CO2 eine zentrale Rolle, da eine seine Anreicherung (Hyperkapnie) lebensgefährlich werden kann. CCR-Geräte recyceln die ausgeatmete Luft, indem sie mithilfe von Kalk im sogenannten Scrubber das CO2 herausfiltern. Versagt jedoch der Scrubber oder ist der Kalk gesättigt, kann CO2 erneut eingeatmet werden, was zu gefährlich hohen CO2-Werten im Körper des Tauchers führen kann. Eine Echtzeit-Überwachung des CO2-Gehalts würde es ermöglichen, diese Risiken frühzeitig zu erkennen und Unfälle durch CO2-Vergiftungen oder Scrubber-Fehlfunktionen zu verhindern – ein bedeutender Schritt für die Tauchsicherheit. Warum sind CO2-Sensoren im Gegensatz zu Sauerstoffsensoren immer noch nicht standardmäßig in moderne Kreislaufgeräte integriert? In diesem und dem nächsten Blogbeitrag werfen wir einen Blick auf Scrubber-Überwachungssysteme und CO2-Sensoren.
Das CO2-Monitoring erfasst die Konzentration von Kohlendioxid im Atemgas und ist in der Medizin, insbesondere in der Anästhesie und Intensivmedizin, längst unverzichtbar. Es dient dort der Überwachung der Atmung und ermöglicht die frühzeitige Erkennung von Atemproblemen. Diese Technologie könnte auch beim CCR-Tauchen einen entscheidenden Sicherheitsvorteil bieten, da sie zwei Hauptgefahren identifizieren könnte: zum einen einen CO2-Anstieg durch erhöhte körperliche Anstrengung und zum anderen das gefährliche Rückatmen von CO2 aus dem Kreislaufsystem. Beide Szenarien bergen unter Wasser ein erhebliches Risiko für lebensbedrohliche Situationen. Trotz dieses Potenzials sind CO2-Sensoren in Tauchgeräten noch nicht Standard. Stattdessen setzen die Hersteller auf Systeme, die den Zustand des Atemkalks überwachen.
Montoring des Scrubbers
Scrubber-Überwachungssysteme sollen die Leistung und den Zustand des Atemkalks in CCR-Geräten im Blick behalten. Einige Hersteller setzen dabei auf sogenannte „Temp-Sticks“, die zwar nicht direkt den CO2-Gehalt messen, aber die Erschöpfung des Scrubbers und dessen verbleibende Kapazität anhand der Wärmeentwicklung bei der chemischen Reaktion zwischen CO2 und Natronkalk vorhersagen. Diese Stäbe versuchen so, rechtzeitig anzuzeigen, wann der Atemkalk erschöpft sein könnte.
Allerdings liefern sie keine direkte Information über den tatsächlichen CO2-Gehalt im Atemgas. Es wird vermutet, dass diese Systeme aus Sicherheits- resp. Haftungsgründen mit einer großen Pufferzone arbeiten, was zu einer früheren Anzeige für den notwendigen Kalkwechsel führen könnte. Eine begrenzte Studie, in der die „Temp-Sticks“ in zwei Rebreathern – dem Inspiration und dem rEvo – getestet wurden, deutet darauf hin, dass die Systeme unterschiedlich reagieren. Bei Tauchgängen in geringer Tiefe warnten die Temperaturmessstäbe in den meisten Fällen rechtzeitig vor einer Erschöpfung des Scrubbers. Bei Tauchsimulationen an der Oberfläche hingegen zeigten sie weniger präzise Ergebnisse: Der rEvo warnte deutlich früher, etwa 60 Minuten vor einem CO2-Durchbruch, während der Inspiration erst kurz vor oder nach dem Durchbruch reagierte.
Sensitivität und Spezifität für Taucher
Hier zeigt sich ein grundlegendes Dilemma: Auf der einen Seite erwartet man, dass der Warnmechanismus einen CO2-Durchbruch mit höchster Zuverlässigkeit meldet, um die Sicherheit zu gewährleisten. Auf der anderen Seite möchte man verhindern, dass er zu früh Alarm schlägt, um nicht unnötig auf einen Tauchgang verzichten zu müssen, diesen vorzeitig abzubrechen oder den Atemkalk häufiger als nötig wechseln zu müssen. Dieses Problem ist als „Sensitivität“ und „Spezifität“ bekannt und findet sich in allen medizinischen Tests wieder. Die Sensitivität beschreibt, wie zuverlässig ein Test ein ungünstiges Resultat erkennt, während die Spezifität anzeigt, wie gut der Test normale Bedingungen korrekt erkennt, ohne fälschlicherweise eine Gefahr zu melden.
Im Fall der erwähnten Studie warnte der "Temp-Stick" des Inspiration in 6 von 8 Fällen früh genug, in 2 zu spät. Dies ergibt eine Sensitivät von 6/8 d.h. 75%. Bei 25% wurde also verpasst, dass der Scrubber nicht mehr genügend gut funktionierte. Beim rEvo war die Situation anders: er gab in allen 5 Tests bereits ca. 60 Minuten vor dem Ablauf der Kalk-Lebensdauer eine Warnung ab. Man könnte hier also sagen, dass er fälschlich ungünstige Resultate lieferte (natürlich ist diskutierbar, wie früh eine Warnung kommen soll). Die Spezifität war hier also eher tief.
Am liebsten hätten wir einen Scrubber-Test, der 100% sensitiv und 100% spezifisch ist. Dies ist in der Praxis unmöglich.
Was, wenn der "Temp-Stick" im Inspiration einfach empfindlicher gemacht würde? Dies würde auf Kosten der Spezifität gehen.
Nehmen wir an, dass der oben erwähnte "Temp-Stick" nun nicht mehr nur in 75% der Fälle einen abgelaufenen Kalk erkennt, sondern in 95%. Es darf getrost angenommen werden, dass in diesem Fall falsche Alarme auftreten würden. Wenn wir annehmen, dass der Preis für die Steigerung der Empfindlichkeit eine Abnahme Spezifität von 100% auf 80% ist, bedeutet dies konkret, dass in 5 von 100 Tauchgängen ein CO2-Durchbruch verpasst würde, aber 20 von 100 Tauchgängen wegen falschem Alarm nicht durchgeführt werden könnten oder frühzeitig abgebrochen werden müssten. Dies bedeutet, dass bei jedem 4. Tauchgang ein Problem mit der Messung auftreten würde. Dies ist in der Praxis nicht brauchbar.
Kenne Deinen Kalk!
Daher ist es immer noch am besten, die Leistung des Kalkes zu kennen. Sofnolime 797 ist eines der am häufigsten verwendeten Produkte. Seine Wirksamkeit wurde in einer CCR-Studie (Inspiration) mit Spherasorb verglichen. Die Studie simulierte eine Stoffwechselrate von 6 METS (metabolische Äquivalente). Unter diesen Bedingungen verhielten sich die Absorber wie folgt:
Spherasorb: 138 Minuten bis zum CO2-Durchbruch.
Sofnolime 797: 202 Minuten bis zum CO2-Durchbruch.
6 METS entsprechen mindestens einer moderaten körperlichen Anstrengung. Diese wird bei einem easy dive nicht erreicht. Dies zeigt die gute Leistung von Sofnolime auch bei körperlich anspruchsvollen Tauchgängen und unterstreicht die Tatsache, dass es Unterschiede zwischen den einzelnen Produkten gibt.
Die genannten Methoden liefern nur indirekte Informationen über das CO2 im Atemkreislauf. Der heilige Gral des Kreislauftauchens wäre deshalb die direkte Messung der CO2-Konzentration im eingeatmeten Gas. Der nächste Blogbeitrag wird sich mit den damit verbundenen Herausforderungen befassen.
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