Breaking the Loop - nicht nur für CCR-Taucher lesenswert
- Michael Mutter
- 14. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Aug.
Im Rebreather-Tauchen gibt es ein klares Mantra: „If in doubt, bail out.“ – Wenn du Zweifel hast, geh auf Bailout. Doch wie leicht fällt diese Entscheidung wirklich in einer stressgeladenen Situation?
Jane Ruckert, University Diver der University of Fremantle mit umfangreicher CCR- und Expeditionserfahrung, hat dazu eine eigene Erhebung unter CCR-Tauchern durchgeführt. Für ihren im August 2025 im InDEPTH Magazine erschienenen Beitrag „Breaking the Loop: Here are Your Bailout Stories“ sammelte sie Erfahrungsberichte, die zeigen, wie Taucher in kritischen Momenten tatsächlich reagieren – und warum.

Der Tauchgang, der fast schiefging
Der Artikel beginnt mit einer eindringlichen Szene: Ein erfahrener Taucher befindet sich
in der Dekompression. Alles scheint in Ordnung – der Sauerstoff-Setpoint liegt stabil bei 1,4, die Anzeigen stimmen. Und trotzdem beschleicht ihn das Gefühl, dass etwas nicht passt.
Er macht den entscheidenden Handgriff, bailout, und atmet aus dem offenen System. Kurz darauf keimt der Gedanke: Vielleicht war das nur falscher Alarm. Er wechselt zurück in den Loop – nur um Sekunden später festzustellen, dass das ungute Gefühl bleibt. Sofort geht er erneut auf Bailout und bleibt diesmal dabei.
Die spätere Untersuchung zeigt: Ein undichtes Einwegventil hätte in Sekunden zur Katastrophe führen können, da es deswegen zur CO2-Rückatmung gekommen ist.
Die Lektion: Training schlägt Mut
Ruckerts zentrale Botschaft ist klar:Im Ernstfall zählt nicht, ob man „cool“ bleibt oder Risiken liebt. Es zählt, ob man ein trainiertes, automatisiertes Handlungsmuster abrufen kann.Technische Taucher wissen, dass Ausrüstungsausfälle jederzeit auftreten können. Doch oft wird unterschätzt, wie stark psychologische Faktoren – Zweifel, Gruppendruck, Angst vor Gasverlust – die Entscheidung beeinflussen.
Zwei Punkte, die mir besonders ins Auge gestochen sind:
1. Erstaunlich viele Bailouts – auch bei Anfängern
Dass viele erfahrene CCR-Taucher mit mehr als 1000 Rebreatherstunden schon einmal auf Bailout gewechselt haben (ca. 90%), überrascht wenig – vor allem bei sehr anspruchsvollen Tauchgängen. Unerwartet hoch ist jedoch der Prozentsatz bei Tauchern mit weniger als 50 Stunden Erfahrung, die bereits einen Bailout gemacht haben (über 50%).
Noch erstaunlicher: Der Anteil, bei dem ein flooded unit – also ein geflutetes System – der Auslöser war. Man würde meinen, dass moderne CCRs in dieser Hinsicht eine solide Sicherheit bieten. Welche Geräte genau betroffen waren, wird in der Erhebung nicht offengelegt. Möglich ist, dass erfahrene Taucher in ihrer Laufbahn auch mit älteren, weniger sicheren Systemen getaucht sind.
Ich frage mich allerdings, ob bei den unerfahrenen Tauchern wirklich immer ein Bailout zwingend notwendig war. Dazu gibt es leider keine Angaben – und das betrifft natürlich alle Bailouts, da es sich um Self-Reporting handelt. Gerade bei Einsteigern könnte es sein, dass Unsicherheit eher zu einem Wechsel auf Bailout führt, auch wenn das Gerät technisch einwandfrei war. Das würde die Zahl der Bailouts in dieser Gruppe „künstlich hoch“ erscheinen lassen. Schließlich sind moderne CCRs recht zuverlässig – und unerfahrene Taucher dürften in der Regel mit neueren Modellen getaucht sein.
2. Gruppendruck als Risiko
Das wohl frappierendste Ergebnis: Der soziale Druck kann so groß sein, dass Taucher ein potenziell gefährliches Problem herunterspielen – nur um nicht unangenehm aufzufallen, den Tauchgang der Gruppe nicht zu stören oder sich nicht zu blamieren, falls sie eine Übung oder Aufgabe nicht schaffen, weil sie auf Bailout müssen. Dieser psychologische Faktor ist oft subtil, kann aber in der Tiefe zur gefährlichen Falle werden.
Gerade deshalb ist der Artikel so relevant: weniger wegen der technischen Frage des Bailouts, sondern weil er das Thema Gruppendruck offen anspricht und bewusst macht, wie sehr er Sicherheitsentscheidungen beeinflussen kann. Denn dies gilt für alle Taucher.
Gruppendruck darf nicht über der Sicherheit stehen
Warum Geschichten den Unterschied machen
Das Besondere an „Breaking the Loop“ ist der Fokus auf reale Stimmen aus der Community. Diese Bailout Stories sind keine trockenen Unfallberichte, sondern persönliche Schilderungen, in denen sich viele Taucher wiederfinden.Sie zeigen, dass der gefährlichste Loop nicht immer aus Schläuchen und Ventilen besteht – sondern manchmal im eigenen Kopf.
Fazit: Üben, üben, üben – und kommunizieren
Ob in der Ausbildung oder beim Erfahrungsaustausch in der Tauch-Community: Szenario-Training für Bailouts sollte nicht nur Technik, sondern auch Entscheidungspsychologie beinhalten. Wer im Training lernt, die Entscheidung sofort zu treffen, wird im Ernstfall nicht zögern.
Und vielleicht ist es genauso wichtig, diese Geschichten zu teilen wie die Technik selbst – damit niemand erst in der Tiefe herausfindet, wie schwer es sein kann, vom Loop zu gehen.
Besonders wichtig: Gruppendruck muss im Ernstfall komplett ausgeschaltet werden. Wenn ein Problem auftritt, darf es keine Rolle spielen, wie die Gruppe reagiert oder ob man den Tauchgang „verdirbt“. Sicherheit steht an erster Stelle – immer. Diese Erkenntnis gilt nicht nur für CCR-Taucher, sondern für alle, die tauchen.
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