Im Februar 2023 führte das „Wetmules“-Tauchteam den weltweit ersten Rebreather-Tauchgang mit einem wasserstoffbasierten Gasgemisch, Helihydrox (3% Sauerstoff, 38% Wasserstoff, 59% Helium), durch. Dabei wurde in der Pearse-Resurgence in Neuseeland in einer Höhle eine Tiefe von 230 m erreicht. Nun liegt endlich die wissenschaftliche Publikation dazu vor. Diese möchte ich dem Dekoblog-Publikum nicht vorenthalten.
Hintergrund
Das Wetmules-Tauchteam erreichte in der Pearse-Resurgence 2020 mit Trimix 4/91 (4% Sauerstoff, 91% Helium und 5% Stickstoff) eine Tiefe von 245 m. Zur Erforschung der Höhle mussten grössere Tiefen erreicht werden, wobei sich diesbezüglich 2 Kernprobleme stellen:
Mit zunehmender Tiefe nimmt aufgrund des steigenden Umgebungsdrucks die Dichte des Atemgases zu, was den Atemwiderstand und das Risiko einer CO2-Retention erhöht. In 245 Metern Tiefe betrug die Gasdichte etwa 7,2 g/l, über der sicheren Obergrenze von 6 g/l. Dies kann zu einer CO2-Intoxikation mit (plötzlichem) Bewusstseinsverlust und einem erhöhten Risiko für zerebrale Sauerstofftoxizität führen, da CO2 die Gehirndurchblutung fördert. Das Atmen der Mischung in größeren Tiefen birgt daher inakzeptable Risiken.
Ein weiteres Problem ist das HPNS (High-Pressure Neurologic Syndrome), das ab Tiefen von etwa 150 m auftritt, sich durch Zittern der Extremitäten und des Rumpfes äußert und so Taucher schwer beeinträchtigen kann. Es wird durch den hohen Helium-Partialdruck verursacht und kann mittels Beimischen von wenig Stickstoff gemildert werden, welcher leicht narkotisch wirkt. Stickstoff steigert aber die Atemgasdichte, weswegen er noch tiefere Tauchgänge verunmöglicht.
Die Lösung ist ein Gas, das sowohl leicht ist, als auch etwas narkotisch wirkt, wie Wasserstoff. Wasserstoff wurde in verschiedenen Experimenten, darunter die Hydra-Experimente der Firma COMEX ab Ende der 60er Jahre, bis zu Tiefen von 701 Metern verwendet. Es kann sicher eingeatmet werden und lindert HPNS-Symptome. In Helium-Sauerstoff-Gemischen besteht oberhalb eines Volumenanteils von 4,2 - 6 % jedoch Explosionsgefahr, wenn elektrische Instrumente wie die Solenoide von Rebreathern (O2-Messzellen), welche eigentlich nichts anderes sind als Batterien, damit in Kontakt kommen. Ausserdem erhöht Wasserstoff wegen seiner hohen Wärmeleitfähigkeit die Hypothermiegefahr.
Der Tauchgang
Bis zu einer Tiefe von 200 m wurde Trimix 4/91 verwendet (PO2-Setpoint 0.7 bar). Dort leitete der Taucher den Wechsel auf Wasserstoff ein, indem er eine kleine Menge Atemgas ins Wasser ausatmete und durch Wasserstoff aus einer zu diesem Zweck mitgeführten 2-Liter-Kohlefaserflasche ersetzte. Auf diese Weise wurde schrittweise Wasserstoff in den Atemkreislauf des Rebreathers eingeführt, so dass schließlich in einer Tiefe von 230 Metern ein Gemisch mit ca. 38 % Wasserstoff resultierte.
Nach der Umstellung stellte der Taucher keine nachteiligen Wirkungen oder Veränderungen des Temperaturempfindens fest. Vor allem verspürte er kein Narkosegefühl. Auch die Symptome des HPNS verschwanden schliesslich ganz.
Während des Aufstiegs ab Tauchminute 25 wurde Wasserstoff ab einer Tiefe von 200 m (Tauchminute 27) schrittweise aus dem System gespült und mit dem ursprünglichen Trimix ersetzt unter Erhöhen des Sauerstoff-Setpoints auf 1.3 bar.
Oberhalb 150 m Tiefe wurde zur Dekompressionsberechnung ausschliesslich auf Trimix abgestellt. Wasserstoff wurde wegen des Fehlens etablierter Protokolle und aufgrund der kurzen Expositionszeit nicht mit einbezogen (11 Minuten unterhalb 200 m, weitere 8 Minuten bis zum vollständigen Auswaschen aus dem Loop). Der Tauchgang wurde nach 13.5 h beendet, u.a. mit Dekompressionsstopps in 3 Habitaten auf 27 m, 16 m und 7 m.
Diskussion
Der Tauchgang hat bewiesen, dass Wasserstoff in einem Rebreather sicher gehandhabt werden kann. Weder vor, während noch nach dem Tauchgang kam es zu Entzündung, Feuer oder Explosionen. Dies war das Ergebnis strenger Vorabklärungen. Dazu gehörten ein Pooltest (beim Taucher zuhause…!), um zu beweisen, dass die Solenoide keine Entzündung verursachen, und das Limitieren des Sauerstoffanteils im Loop auf unter 4 % während des gesamten Tauchganges.
Wasserstoff erwies sich als sehr wirksam gegen HPNS-Symptome. Diese verschwanden nach Einführen des Wasserstoffes komplett.
Während oder nach dem Tauchgang gab es keine offensichtlichen negativen physiologischen Auswirkungen der Wasserstoffatmung. Der Taucher verspürte keine narkotische Wirkung oder Unbehagen wegen Auskühlung, was sich mit den erwähnten früheren Experimenten deckt. Auch trat keine Dekompressionskrankheit auf. Die Autoren räumen jedoch ein, dass die Exposition gegenüber Wasserstoff relativ kurz war und dass eine längere Exposition andere Herausforderungen mit sich bringen könnte, insbesondere in Bezug auf Dekompressionsstress und Wärmeregulierung.
Fazit
Die Publikation schließt mit vorsichtigem Optimismus hinsichtlich der Verwendung von Wasserstoff beim Tieftauchen mit Rebreathern. Der Tauchgang ist zwar vielversprechend, was die Milderung des HPNS und das Management der Gasdichte angeht, doch sind zukünftig vorsichtige Fortschritte und weitere Forschung unerlässlich. Das Handling von Wasserstoff in Sauerstoffmischungen unter hohem Druck bleibt wegen der Explosionsgefahr kritisch.
Unterdessen…
… erschloss der gleiche Taucher in einem 2. und 3. Tauchgang mit Rebreather-Wasserstoffatmung neue Tiefen. Im berühmt-berüchtigten südafrikanischen Boesmansgat erreichte er in Begleitung eines Buddy's, der ebenfalls Wasserstoff atmete, 284 m. Damit wurden bislang 4 Rebreather-Tauchgänge mit Wasserstoff durchgeführt.
Dass das Ganze nicht ohne Risiko ist, zeigt die Tatsache, dass während des letzten Tauchganges beide Taucher eine schwere Dekompressionskrankheit erlitten. Damit steht der Morbiditäts-Index bei 50% (2 Dekozwischenfälle bei 4 Tauchgängen). Ob die Höhenlage des Boesmansgat (> 1500 m.ü.M) dafür mitverantwortlich ist, sei dahingestellt. Die Dekompressionsverpflichtung bei einem Tauchgang auf dieser Höhe entspricht einem Tauchgang auf 337 m Tiefe auf Meereshöhe.
Es bleibt spannend – und gefährlich.
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