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Das Dekompressionssyndrom des Innenohres – häufiger als gedacht

Autorenbild: Michael MutterMichael Mutter

- und mit einem üblichen Verdächtigen als Risikofaktor.


Marmorerasee. Bild: Patrick Oswald, Tauchschule H2O

Das Dekompressionssyndrom des Innenohres (Inner Ear DCS, IEDCS) äussert sich durch vestibuläre (= das Gleichgewichtsorgan betreffende) Symptome wie Schwindel, Übelkeit, Störungen des Gleichgewichtes und der Bewegungskoordination, aber auch durch Hörverlust und Tinnitus (Ohrenpfeiffen). Tritt es während eines Tauchganges auf, kann es wegen des Orientierungsverlustes und schwerem Erbrechen potenziell katastrophale Folgen haben. Es galt als selten. Registerdaten der letzten Jahre zeigen aber, dass es wesentlich häufiger vorkommt als angenommen.


Das IEDCS ist häufiger als angenommen und betrifft nicht nur technische Taucher.

Klassischerweise galt das IEDCS als mit Tieftauchgängen unter Verwendung von Heliox oder Trimix assoziiert, aber es wird zunehmend nach Lufttauchgängen beobachtet, wenn auch am tieferen Ende des Sporttauchbereiches. IEDCS-Symptome treten wie alle Manifestationen eines DCS nach dem Ende eines Tauchganges, typischerweise innerhalb von 30 Minuten auf. Selten äussert sich das IEDCS noch vor dem Auftauchen während der Dekompression nach Tieftauchgängen. Bei Tieftauchgängen wurde das Auftreten von IEDCS mit Atemgaswechseln von heliumhaltigen Gemischen zu Luft oder Nitrox in Verbindung gebracht.


Die Genese des IEDCS ist komplex.

Verschiedene Pathomechanismen werden diskutiert wie bspw. die Bildung von Blasen aus übersättigtem Gas im Innenohr selbst, wobei diese Übersättigung durch Dekompression oder durch isobare Gegendiffusion nach dem Wechsel von helium- zu stickstoffreichen Atemgasgemischen entsteht und durch die verschiedenartige Beschaffenheit der Kompartimente innerhalb des Innenohres begünstigt wird (Endolymphe, Perilymphe, vaskuläres Kompartiment). Neuere Daten legen aber auch einen Zusammenhang mit Rechts-Links-Shunts, wie bspw. grossen PFOs (offenes Foramen ovale), nahe.


Wie in diesem Blog schon einmal erläutert, beginnt eine Gasembolie zu schrumpfen, sobald sie ins arterielle Blut gelangt. Ist der Weg zu einem Endorgan (in diesem Fall das Innenohr) weit genug, besteht genügend Zeit, dass sie soweit schrumpft, um keinen Schaden mehr anrichten zu können. Schrumpft sie nicht genügend, erreicht sie im Innenohr ein Kompartiment, welches stark Inertgas-übersättigt ist. Diese Übersättigung lässt die Blase im Innenohr wieder wachsen, womit ein IEDCS begünstigt wird. Die langsamere Eliminierung von Inertgas und die länger anhaltende Übersättigung im Innenohr als im Gehirn bieten eine Erklärung für die selektive Anfälligkeit des Innenohrs im Vergleich zum Gehirn, wenn beide Blasen ausgesetzt sind.


Ein offenes Foramen ovale ist ein Risikofaktor für ein IEDCS.

Das Risiko für diesen Vorgang steigt, je höher der Inertgasdruck in der Gasblase und je kürzer die Transitzeit im arteriellen Blut ist, sprich je tiefer der Tauchgang war und je kürzer der Weg vom venösen Blut ins Innenohr ist. Der kürzeste Weg geht über ein PFO, wie in diesem Blog auch schon dargelegt. Dem grössten Risiko für ein IEDCS ausgesetzt sind somit tief Tauchende mit PFO und ein PFO muss als unabhängiger Risikofaktor für ein IEDCS interpretiert werden.


Eine konsequente Dekompressionsstrategie, für die genügend Zeit eingeräumt wird, und das Beachten des «low bubble diving», wie sie die SUHMS empfiehlt, ist – wie immer – unabdingbar, um dieses potenziell deletäre Syndrom zu vermeiden.

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