Ein Leser des dekoblogs wollte wissen, was der Hintergrund der Air Breaks ist, die im Trimix Kurs geschult werden. Gute Frage!
Das Narrativ der sogenannten Air Breaks geht so: Sie kontrollieren die Sauerstofftoxizität während der Dekompression mit reinem Sauerstoff. Der Taucher wechselt dabei während der Dekompression von reinem Sauerstoff zeitweise auf Luft oder Nitrox, um die sogenannte ZNS-"clock" zurückzusetzen. Zum Beispiel könnte während eines 21-minütigen Dekompressionsstopps in sechs Metern Tiefe nach 10 Minuten reinem Sauerstoff für fünf Minuten auf Luft umgeschaltet werden (Air Break), gefolgt von weiteren 11 Minuten reinem Sauerstoff, bis die Dekompressionspflicht erfüllt ist. Der Air Break selbst wird nicht als Teil der Dekompressionszeit gezählt.
Die ZNS-Toxizität des Sauerstoffs stellt ein erhebliches Risiko für Sport- und technische Taucher dar. Die Frage ist, ob Air Breaks tatsächlich die Sauerstofftoxizität managen können. Ein Beispiel verdeutlicht die Problematik:
Gemäss der amerikanischen Regierungsbehörde NOAA, die die weltweiten SCUBA-Standards für das Nitroxtauchen und die Dekompression mit reinem Sauerstoff setzt, kann auf einer Tiefe von 6 Metern (O2-Partialdruck von 1.6 bar) für max. 45 Minuten reiner Sauerstoff ohne Risiko einer ZNS-Toxizität geatmet werden. Im oben erwähnten Beispiel wäre man mit den 21 Minuten auf der sicheren Seite. Es ist für die Berechnung der ZNS-Toxizität aber völlig unerheblich, ob diese 21 Minuten an einem Stück oder in Teilstücken absolviert werden. 21 Minuten reiner Sauerstoffatmung schöpfen in jedem Fall 46% der ZNS-«clock» aus (21 Minuten dividiert durch die max. erlaubten 45 Minuten). Die 5 Minuten Air Break ändern daran gar nichts (und beeinflussen die ZNS-«clock» wegen des sehr tiefen O2-Partialdruckes auch kaum negativ).
Air Breaks reduzieren das Risiko der ZNS-Toxizität - während Druckkammerbehandlungen.
Warum jedoch schulen verschiedene Tauchorganisationen Air Breaks? Der Ursprung dürfte in der Praxis der Druckkammerbehandlungen liegen, bei denen Patienten einem O2-Partialdruck von 2.8 bar ausgesetzt werden, um maximale Effekte zu erzielen. Während solcher Behandlungen werden alle 20 Minuten Air Breaks eingeschoben, um epileptische Anfälle zu vermeiden (z.B. Navy Table 6). Diese Praxis basiert auf einem guten wissenschaftlichen Fundament. Wir sprechen hier aber von einem O2-Partialdruck, der weit über dem erlaubten Höchstwert (1.6 bar) für das Sporttauchen liegt!
Auch das Tauchmanual der US Navy schreibt Air Breaks vor, allerdings für eine Dekompressionsstufe auf 30 Fuß Wassertiefe nach 30 Minuten Sauerstoffatmung (O2-Partialdruck 1.9 bar und damit ebenfalls über dem oberen Limit für das Sporttauchen).
Kann der Nutzen der Air Breaks direkt auf das Sporttauchen übertragen werden?
Es ist wichtig zu verstehen, dass die Methode bei viel höheren Sauerstoffpartialdruckwerten und in anderen Settings als beim Gerätetauchen angewendet wird.
Es entzieht sich meiner Kenntnis, wer auf die Idee gekommen ist, Air Breaks tel quel für Dekompressionsstopps während eines Geräte-Tauchgangs zu übernehmen. Die (vorsichtigen) Richtlinien der NOAA erwähnen Air Breaks nämlich gar nicht. Daraus könnte man schliessen, dass sie vernachlässigbar sind.
Findet sich ein Argument zur Verteidigung der Air Breaks? Es gibt Überlegungen im Zusammenhang mit der Optimierung der Entsättigung. Sauerstoff ist ein Vasokonstriktor, der die Blutgefäße verengt und die Gewebedurchblutung negativ beeinflussen kann. Theoretisch könnten Air Breaks durch kurzzeitiges Absenken des O2-Partialdruck die Gefäße erweitern, die Durchblutung verbessern und so die Elimination der Inertgase fördern. Allerdings bleibt ein nennenswerter Nutzen für die Entsättigung fraglich.
Durchzogenes Fazit
Fazit: Air Breaks sind etabliert bei Druckkammerbehandlungen und Dekompression mit O2-Partialdrucken, welche deutlich über den maximal erlaubten Werten für das Gerätetauchen liegen. Ihr Nutzen für das Gerätetauchen ist unbewiesen.
Stellt sich eine letzte Frage: Können Air Breaks schaden? Ich denke nicht. Es spricht nichts gegen die Inanspruchnahme potenzieller Benefits von Air Breaks während längerer Dekompressionsstopps, eine sorgfältige Planung des Tauchganges vorausgesetzt, welche sich innerhalb der empfohlenen Grenzen abspielt und das Management der ZNS-Sauerstofftoxizität an den Guidelines der NOAA ausrichtet.
Air Breaks sind keine Alternative zum Einhalten der Obergrenze für den O2-Partialdruck (1.6 bar).
Dringend zu unterlassen aber sind Dekompressionssitzungen mit O2-Partialdruckwerten über 1.6 bar in der irrigen Meinung, sie punkto ZNS-Toxizität mit Air Breaks entschärfen zu können.
In einem weiteren Beitrag bald mehr zur Sauerstofftoxizität beim Tauchen und zur ZNS-«clock».
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